Die Brut
in die Luft, aus dem Handy schrie Attila: »Ich wusste, dass du’s schaffst.«
»Du schuldest mir eine Magnum.«
»Ich schenk dir zwei.«
»Ich fass es nicht. Drei Komma eins vier Millionen.«
Eins von Tessas Telefonen klingelte den ganzen Tag. Meistens klingelten beide. Feli brachte es über sich, ein »war ganz cool« in den Hörer zu nuscheln. Anscheinend hatte ihr Vater in Sachen Schwangerschaft tatsächlich geschwiegen, denn Feli erzählte viel von Curt, erwähnte aber mit keinem Wort, dass ihre Schwester sie nun ihrerseits bald zur Tante machen würde. Ihr Vater selbst hatte bis zum Nachmittag nicht angerufen. Wahrscheinlich hatte er vergessen, dass gestern Tessas großer Tag gewesen war, und den ganzen Abend mit irgendwelchen Büchern zum Thema Rosengarten verbracht. Ihre Stiefmutter war vermutlich bei ihrem Frauen-Kegel- oder Frauen-Gesangsvereins- oder einfach nur Frauen-besaufen-sich-mit-billigem-Sekt-und-werden-lustig-Abend gewesen. Ihr Vater und ihre Stiefmutter würden erst anrufen, wenn der erste Nachbar bei ihnen angerufen hatte. Nein. Ihr Vater würde frühestens morgen anrufen. Heute Nachmittag und den ganzen Abend würde er sich vor ihrer Stiefmutter dafür rechtfertigen müssen, dass er Tessas Sendung verpasst hatte.
Tessa überlegte, ob sie die wenigen Minuten, in denen gerade keines der Telefone klingelte, nutzen sollte, um ihren Vater anzurufen. Vielleicht war mit seinem Gedächtnis wirklich etwas nicht in Ordnung. Bevor ihre Stiefmutter ihn so lange terrorisierte, bis er sich von irgendeinem Provinzpfuscher untersuchen ließ, sollte sie ihn einladen und ihm doch einen Termin bei einem richtigen Arzt hier in der Großstadt machen.
Sie hatte gerade im integrierten Telefonverzeichnis des schnurlosen Apparats die Nummer ihres Vaters angesteuert, als ihr Handy klingelte.
»Ja?«
»Hier ist Susa Müller von
Now!
. Spreche ich mit Tessa Simon?«
»Ja.« Tessas Herz machte einen Satz.
Now!
war ein sehr hippes Magazin. Wer in
Now!
drin war, hatte es geschafft.
»Ihr Produzent, Herr de Winter, war so nett, mir Ihre Mobilnummer zu geben. Ich hoffe, ich störe nicht?«
»Nein.«
»Erst mal möchte ich Ihnen ganz herzlich zu der Sendung gratulieren. Ich bin ja schon lange ein Fan von
Auf der Couch
, aber gestern, das war für mich noch mal ein richtiger Sprung.«
»Danke.«
»Wir würden in einem der nächsten Hefte gern eine größere Geschichte über Sie bringen. Hätten Sie Lust dazu?«
»Das hängt davon ab, wie viel Zeit das in Anspruch nimmt«, sagte Tessa ohne Aufregung in der Stimme.
»Ich fürchte, mit Fotos und allem müssten wir schon einen ganzen Tag einkalkulieren. Schließlich soll es die Titelstory werden.«
Tessa fühlte sich, als hätte sie ein Wirbelsturm kurz in die Luft gehoben und zwanzig Meter weiter wieder abgesetzt.
Titelstory
.
Auf dem Cover von Now!.
»Ja. Doch«, sagte sie und musste feststellen, dass ihre Stimme nicht mehr ganz unaufgeregt war. »Wenn wir es nicht ausgerechnet am Tag der Sendung machen, geht das schon.«
»Herr de Winter hat mir erzählt, dass Sie im fünften Monat schwanger sind?«
»– Ja.«
»Noch mal herzlichen Glückwunsch. Ich hab mich gestern kurz gefragt, als Sie aufgestanden sind und sich neben Nuala gesetzt haben. Aber dann habe ich wieder gedacht: Nein, das kann nicht sein, diese Frau hat ja so eine phantastische Figur.«
»In der nächsten Woche ginge vermutlich Freitag«, sagte Tessa und blätterte mit der rechten Hand im Kalender.
»Ich finde es wirklich bewundernswert, dass Sie sich diese beiden Herausforderungen auf einmal zutrauen.«
»Möglicherweise ginge auch Dienstag. Das wäre dann aber erst die Woche drauf.«
»So ganz eilig ist es nicht. Weil – also fürs Foto wäre es schon gut, wenn man deutlicher sehen würde, dass Sie schwanger sind.«
Es gab eine Pause.
»Ich denke, dass wir den Schwerpunkt der Story auf diese doppelte Herausforderung legen sollten«, redete Susa Müller von
Now!
weiter, als Tessa nichts sagte. »Dass immer mehr prominente und erfolgreiche Frauen sagen:
Ja, ich will ein Kind
.
Und ich will trotzdem weiter Karriere machen
. Das ist ein großes Thema.«
Der Januar wurde milder. Wochenlang war der Fluss zugefroren gewesen. Jetzt trieben am Ufer zahllose Schollen. Ein Entenpaar kletterte auf eine der Schollen, die von einem unterirdischen Strudel wie ein Karussell gedreht wurde.
»Bist du nicht froh, dass die Proben jetzt endlich angefangen haben?«, fragte Tessa. Sie hatte sich bei
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