Die Chronik der dunklen Wälder - Seelenwächter: Band 6 (German Edition)
Berghasenclan, aber Renn erspähte auch einige Halsketten aus Ebereschenrinde und an etlichen Kapuzen waren Schwanenfedern festgenäht. Die breiten, freundlichen Gesichter hießen sie lächelnd willkommen. Der Zorn der Jäger war verraucht.
Als Torak sich dafür entschuldigen wollte, dass sie die Jagd gestört hatten, fegte Krukoslik seine Worte mit einer Handbewegung beiseite. »In der Nähe liegt noch ein Fluss, den die Herde überqueren muss. Dort wartet ein anderer Jagdtrupp.«
Jemand hatte ein Feuer geweckt. Krukoslik dankte dem toten Rentier für seinen Körper und wünschte seinem Geist eine sichere Reise in die Berge. Dann häuteten drei Männer das Tier schnell und geschickt. Sie leerten die Mägen, spülten einen davon aus und füllten ihn mit Blut; sie schichteten die Innereien und den Inhalt der Mägen auf das Fell und zerlegten das Rentier in vier Teile. Sie arbeiteten umsichtig und ohne etwas zu vergeuden. Hinterher waren auf dem Schnee fast keine Blutspuren zu sehen.
Die Männer, die ihr Handwerk so gut verstanden, erinnerten Renn unwillkürlich an Fin-Kedinn. Mit einem Mal überkam sie heftiges Heimweh. Außerdem steckte ihr noch der Angriff des Rentiers in den Knochen und ihre Kopfhaut pochte vor Schmerz. Eine Ebereschenfrau bemerkte, wie sie die Wunde berührte, und half ihr geschickt, einen schmerzlindernden Blutampferumschlag anzulegen.
Krukoslik reichte Renn und Torak Becher mit Rentierblut. Das Blut war beim Abkühlen geronnen, sodass Renn sich verschluckte und hustete. Doch bald durchströmte sie die Kraft des Tieres und sie fühlte sich ein wenig besser.
Chelko, Krukosliks Sohn – der junge Jäger, der sein Ziel verfehlt hatte – reichte ihnen Stücke roher Leber. Sie waren noch warm und schmeckten so köstlich, dass sich Renn kurz darauf schon wesentlich besser fühlte. Sie murmelte einen verspäteten Dank für ihren Clanhüter.
Krukoslik saß bei ihnen, nahm aber nichts zu sich. Er hatte sich inzwischen die Bemalung abgerieben. Wie eh und je war sein rundes Gesicht so gerötet, als säße er vor einem tüchtig brennenden Feuer. Wie alle seine Clangefährten trug er ein Gewand aus dichtem braunen Rentierfell, das bis zu den Waden reichte und von einem breiten Gürtel aus rotem Leder zusammengehalten wurde. Er hatte kurzes braunes Haar und seine Clantätowierung bestand aus einer roten Zackenlinie quer über der Stirn. Seine Hasenfellkapuze, die er während der Jagd nach außen gestülpt hatte, war ebenfalls rot gefärbt.
Sein Blick war forschend, aber freundlich. Als Renn, ohne es zu ahnen, die Gebräuche seines Clans verletzte und dem Feuer den Rücken zukehrte, wies er sie sanft darauf hin. »Das tun wir nicht, sonst wird das Feuer böse.«
Andererseits war er der Anführer des Clans und ließ sich nicht gerne dreinreden. Als Torak ihn nach dem Berg der Geister fragte, brachte er ihn mit erhobener Hand zum Schweigen.
»Darüber sprechen wir später. Das hier ist nicht der richtige Ort. Ihr kommt mit in unser Lager, während Chelko das verwundete Tier verfolgt. Dort sprechen wir über heilige Dinge.«
Torak nickte und wandte sich Chelko zu. »Es tut mir leid, dass der Rabe dich überrascht hat. Er ist nämlich – eine Art Freund von uns.«
Chelko blinzelte verdutzt. »Er ist euer Freund?«
»Er hat es nicht böse gemeint«, sagte Renn. »Er ist nur jung und sehr verspielt.«
Chelko kratzte sich am Kinn und grinste. »Und ich habe ihn für einen Dämon gehalten.«
»Es ist unsere Schuld, dass eure Jagd gestört wurde«, entgegnete Torak. »Ich möchte dir helfen, das verwundete Tier aufzuspüren.«
Chelko war sichtlich erfreut über das Angebot.
»Gut«, sagte Krukoslik. »Das ist ein guter Vorschlag.«
»Ich begleite euch«, erklärte Renn.
Doch zu ihrer Verwunderung schüttelte Torak den Kopf. »Du bist angeschlagen. Es ist besser, wenn du mit Krukoslik zum Lager gehst.«
»Mir geht es hervorragend!«, widersprach sie.
»Wir sehen uns im Lager«, sagte Torak abschließend.
Krukosliks Blick wanderte neugierig von einem zum anderen. »Gut«, sagte er erneut. »Torak begleitet Chelko, Renn kommt mit mir. Wenn wir wieder zusammen sind und gegessen haben, erzählt ihr mir, was euch hierher geführt hat.«
Renn war nicht sehr begeistert, als sie an die lange Wanderung zum Lager zurückdachte, doch ihre Sorgen waren überflüssig. Die Jäger hatten ihre Hundeschlitten vor den Rentieren verborgen gehalten. Jetzt kamen sie auf einen Pfiff heran, gelenkt von Kindern,
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