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Die Chronik der dunklen Wälder - Seelenwächter: Band 6 (German Edition)

Die Chronik der dunklen Wälder - Seelenwächter: Band 6 (German Edition)

Titel: Die Chronik der dunklen Wälder - Seelenwächter: Band 6 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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verteidigen konnte, er, Torak, war dazu nicht in der Lage. Er würde bald unterliegen. Und sie würden Wolf töten.
    Ein Stück hinter sich erblickte Torak einen schmalen Spalt auf der gegenüberliegenden Seite des Vorsprungs: ein Riss im Berg. Er ging langsam rückwärts darauf zu.
    Wolf warf ihm einen warnenden Blick zu. Nein!
    Torak ging weiter. Zögernd kam Wolf hinter ihm her, unbemerkt von den Hunden, die mit einem wahren Steinhagel zu kämpfen hatten.
    Der Weg durch den knietiefen Schnee war mühsam, doch schließlich erreichte Torak die Felsspalte. Erleichtert spürte er den soliden Fels an seinen Schultern! Hier konnte er den ganzen Tag durchhalten: Schnee essen und Angriffe abwehren, die nur von vorne kommen konnten.
    Plötzlich hörte der Steinhagel auf. Der unsichtbare Beschützer war verschwunden. Einen Moment lang fragte Torak sich, wer das wohl gewesen sein mochte, vergaß es aber sofort. Die Meute kam näher.
    Neben ihm sträubte Wolf das Fell. Er war Torak aus Treue gefolgt, obwohl dieses Verhalten seinem Instinkt widersprach: Kein Wolf zieht sich an einen Ort zurück, aus dem es nur einen Ausweg gibt.
    Torak konnte ihm nicht erklären, warum er das getan hatte, denn Wolf konnte nicht wie Beute denken. Für Torak dagegen war das alles ganz einfach; er hatte genug Begegnungen zwischen Wölfen und Rentieren mit angesehen und wusste eines genau: Wölfe – und Hunde – jagen alles, was davonläuft. Wird man zu ihrem Opfer, bleibt man am besten stehen und setzt sich zur Wehr.
    Er hatte recht. Doch er hatte Wolf unterschätzt.
    Einen Moment streifte dessen Bernsteinblick den seinen, und in diesem Augenblick spürte Torak, was Wolf vorhatte. Nein, Wolf, nein, das ist genau, was sie wollen! Zu spät. Eine Lücke öffnete sich in der Meute – und Wolf schoss hindurch, die Hunde hinter ihm her.
    All das geschah in einem einzigen Augenblick, doch Torak wusste, dass er die Chance, die Wolf ihm geboten hatte, nutzen musste.
    Er klemmte sich die Axt in den Gürtel, streckte die Arme am Fels hinauf und fing an zu klettern.
    Das Letzte, was er sah, bevor er sich an der schmalen Felsspalte hinaufzog, war Wolf, der den Hang hinunterstürmte, dicht gefolgt von Eostras Meute.

Kapitel 27

    Wolf flog über die Felsen und die Hunde flogen hinter ihm her. Wolf hasste es davonzulaufen, aber jetzt musste er Groß Schwanzlos retten.
    Wolf rannte auf einen großen Abhang Weiches Weißes Kalt zu. Die Stimme des Windes, die von dort herüberkam, verriet ihm, dass es tief war, etwa wolfshoch. Gut so. Das Rudel wollte ihn dorthin jagen, wo selbst ein Wolf nur mühevoll vorankam. Aber er kannte diese Falle, er benutzte sie selbst, wenn er Rehe jagte. Hatten sie gedacht, sie könnten ihn reinlegen?
    Wolf bremste ab und ließ den Anführer näher kommen, bis er den steinernen Schlag von dessen dunklem Herzen hören konnte. Sein Maul schnappte gierig auf und zu, als schmecke er das Fleisch bereits.
    Aber er hatte sich zu früh gefreut. Kurz vor dem Weichen Weißen Kalt drehte Wolf auf einer Pfote ab und sprang seitlich auf den festen Fels. Der Hund hinter ihm war zu schwer und konnte nicht mehr rechtzeitig wenden. Während Wolf davonlief, hörte er ihn im Weichen Weißen Kalt wüten und knurren. Wolf reckte den Schwanz in die Luft. Sie waren vielleicht größer als er, aber er war schneller!
    Wenn auch nicht viel. Sie waren schon wieder hinter ihm.
    Er lief über die Kiesel und drehte dabei sein eingerissenes Ohr lauschend zurück, während das andere nach vorne gerichtet blieb. Auch vor ihm konnten viele Gefahren liegen.
    Er roch Dunkelheit, sie eilte auf ihn zu. Der Wind, der von ihr ausging, machte ein brausendes Geräusch, es kam aus der Erde. Plötzlich lag kein Fels mehr vor ihm, der Berg öffnete sich, um ihn zu verschlingen. Er kam rutschend zum Stehen und sah, dass der Riss viele Schritte breit war. Tief aus seinem Innern flog eine heulende Kälte herauf.
    Blitzschnell traf Wolf eine Entscheidung. Er spannte die Hinterläufe an und sprang. Seine Vorderpfoten krallten sich auf der anderen Seite fest. Er warf den Schwanz herum und scharrte mit den Hinterpfoten, zog sich mit aller Kraft hoch … Geschafft.
    Mit wütendem Gebell rannte die Meute an der andere Seite des Spaltes entlang. Wolf reckte verächtlich die Schnauze. Kein Hund – nicht einmal die hier – kann so weit springen wie ein Wolf!
    Trotzdem stimmte etwas nicht. Es waren nicht mehr so viele wie vorher.
    Wo war der Anführer geblieben?
     
    Der Anführer

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