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Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)

Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)

Titel: Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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klingen hörte, sah er das Schwingenpaar, das sich nun wie ein Vorhang aufschob, und den Engel, der sich in hoheitsvoller Geste zu ihnen umwandte.
    »… hier«,raunte Hadros.
    Er stand so weit in der Finsternis, dass die Schatten in seinen Augenhöhlen unheilvoll tanzten. Eine so durchdringende Konzentration lag in jeder Faser seines Körpers, dass Nando sie fühlen konnte.
    »Du kommst, um dir Bhalvris zu holen und den Schlüssel zur Hölle«, fuhr er fort. Und deshalb sage ich dir gleich: Ich habe das Schwert nicht mehr.«
    Die Worte trafen Nando wie Schläge. Ohne diese Waffe war jeder Versuch, den Teufel zu bezwingen, zum Scheitern verurteilt. Er erstickte die aufkeimende Verzweiflung mit aller Kraft. Bhalvris war nicht zu vernichten, das hatte Antonio ihm selbst gesagt. Möglich, dass Hadros das Schwert nicht mehr in seinem Besitz hatte, aber ohne jeden Zweifel wusste er, wo es sich befand. Das Lächeln, das nun auf die Lippen des Engels trat, war grausam und kalt, doch es bestätigte Nandos Gedanken. Ehe er etwas erwidern konnte, hob der Engel die Hand und ließ einen schwarzen Zauber zwischen seinen Fingern zerbrechen. Funken fielen zu Boden, aber sie schlugen nicht auf den Steinen auf. Sie sanken in sie hinein wie in Wasser, Nando spürte die Bewegung, als stünde er auf grollenden Wellen, und im selben Moment veränderte sich der Raum um ihn herum. Rasend schnell verlängerte er sich, und während er selbst mit den anderen auf einem schmalen Podest stehen blieb, brach der Boden vor ihm ein. Auf der anderen Seite des Abgrunds, so weit entfernt von ihm, dass er ihn kaum mehr erkennen konnte, stand Hadros und lachte heiser.
    »Sohn der Hölle«, rief er. »Bist du gekommen, um mit mir zu sprechen? So überwinde die Kluft der Schatten – oder stürze zu ihnen hinab, wie es deiner Art entspricht!«
    Da schoben sich Holzplanken aus dem Abgrund, morsche Brückenpfeiler, Seile, die an unsichtbaren Balken hingen, und angespitzte Pfähle, die zwischen zerbrechlichen Schollen emporschossen. Zitternde Speere hingen über hauchdünnen Drähten, bereit, jeden Augenblick auf den Seiltänzer hinabzufallen, schwankende Hängebrücken führten über den namenlosen Abgrund, und Nando spürte die Macht des Jägers in jedem Splitter dieses absurden Parcours. Wortlos nickte er Kaya zu, streifte die Geige von seinem Rücken und reichte sie Avartos.
    »Das ist eine List«, sagte der Engel. »Er will dich fallen sehen, deswegen lockt er dich über diese Kluft. Wenn du abstürzt … «
    »… dann werden die Schatten mich fangen«, erwiderte Nando leise. Er brauchte nicht den Kopf zu heben, um die Sorge in Avartos’ Blick zu sehen, und er spürte auch Carmenyas Anspannung. Noemi hingegen schwieg, und er konnte das Lächeln fühlen, das weit hinten in ihren Augen lag, als wäre dieser Pfad nicht mehr als eine schwankende Holzplanke irgendwo in den Armenvierteln Katnans. Er fixierte Hadros auf der anderen Seite.
    »Aber ich werde nicht fallen«, sagte er und erwiderte Noemis Lächeln. »Ich werde fliegen.«
    Da lachte Hadros auf, die Schatten des Abgrunds begannen in tausend Stimmen zu tosen. »Ich kann dich nicht hören, Sohn der Hölle!«, rief er, dass Nando eisiger Wind entgegenschlug. »Sprich lauter, damit ich dich verstehen kann!«
    Nando zögerte nicht länger. Mit einem Sprung, der ihn über die ersten morschen Planken hinwegtrug, landete er auf einer halb zerbrochenen Scholle aus dünnem Stein. Kühl durchströmte ihn die Kraft seines Oreymons und drängte die Stimmen zurück, die aus den Schatten unter ihm aufstiegen. Umgehend verstärkten auch sie ihre Kraft. Lockend griffen sie nach seinem Haar, und er erkannte, dass es die Stimme von Luca war, die er hörte, auch Giovanni war darunter und so viele andere, die er in der Welt der Menschen zurückgelassen hatte und vielleicht nie wiedersehen würde. Er ertappte sich bei dem Bedürfnis hinabzuschauen, einmal nur, um einen Blick auf die Menschen zu erhaschen, die er verloren hatte. Doch stattdessen konzentrierte er sich auf das Licht in seinem Inneren, schürte es, bis die Kälte die Stimmen aus seinen Gedanken trieb, und richtete den Blick nach vorn.
    Die Scholle unter ihm bröckelte, doch das Drahtseil vor ihm war zu weit entfernt, als dass er es mit einem einzigen Sprung erreichen konnte. Eilig breitete er die Schwingen aus, wirkte im Flug einen Aschezauber und wich den hauchdünnen Scherben aus, die nun sichtbar geworden in wirrer Ordnung in der Luft standen. Säuselnd

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