Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)

Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)

Titel: Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
Vom Netzwerk:
getreten, die ihn an Mara erinnerte und daran, wie seine Tante ihn mitunter getadelt hatte – wortlos und mit nicht mehr als diesem Blick, der ihn sich schämen ließ für das, was er gerade noch gedacht hatte. Ein Lächeln flog über Carmenyas Gesicht, und für einen Moment konnte er das Licht der Sterne über Yriahr und das Glühen der Wellen auf seinen Wangen spüren.
    Ein flüsternder Windstoß griff in die Flammen und ließ sie auflodern. Funken zerrissen die Stille, die sich in fast verzauberter Schönheit über die Szene gelegt hatte, und kaum dass das Lächeln von Carmenyas Lippen flog, spürte Nando die Kälte, die plötzlich aus den Wänden drang. Avartos erhob sich, ebenso wie Noemi, die angespannt in die Dunkelheit des Ganges starrte, und Kaya hielt den Atem an. Carmenya hingegen griff mit ruhiger Konzentration in die Glut. Kurz entfachte sich ihr Feuer in gleißendem Licht. Die Kreaturen in den Gängen schrien auf, es klang, als würden sie in den Abgrund gerissen, der sich weit unter ihnen erstreckte. Nando meinte, im grellen Schein noch die ausgestreckten Klauen sehen zu können. Dann war es wieder still.
    Carmenya kam auf die Beine und schmolz ihr Feuer zu einem tanzenden Funken in ihrer Hand. »Es ist nicht mehr weit«, sagte sie und setzte ihren Weg fort.
    Nando jedoch hörte die Anspannung in ihrer Stimme, und er fühlte sie deutlich: die Kälte, die zunehmend stärker aus den Rissen der Katakomben drang und ihnen nachkroch, unheilvoll und wispernd wie ein langsam erwachender Fluch.

19
    Pherodos erwachte vom Gesang der Dunkelheit. Mit keinem Wort hätte er diese Töne beschreiben können, die jenseits allen Hörens lagen und die er doch so deutlich wahrnahm. Samten durchströmten die Klänge seinen zerfetzten Leib und riefen seinen Geist zu Bewusstsein. Dann erst erkannte er, dass er fiel. Haltlos stürzte er in die Finsternis, und kurz meinte er, nie etwas anderes getan zu haben, als in eine namenlose Dunkelheit zu fallen, ohne eine Ahnung von Anfang und Ende oder jeder Art von Lebendigkeit. Doch gleich darauf entfachte der Gesang etwas in ihm – ein Brennen, das ihn schon einmal aus dem Schoß der Welt getrieben hatte, und er durchdrang die Nacht mit jedem Splitter seines zerrissenen Geistes.
    Er wusste, dass er keine Augen mehr besaß, und doch nahm er die Schatten wahr, die ihn umschmeichelten, und erkannte den schemenhaften Umriss jenes Körpers, den er verloren hatte. Es war, als müsste er ihn nur denken, um ihn zu erschaffen, und doch zögerte er. Selten hatte er solche Stille empfunden wie in dieser schwebenden Dunkelheit, und etwas in ihm wollte in ihr verharren, körperlos, wortlos, schwerelos. Doch die Erinnerung hatte ihren Samen gelegt, und noch während er sich dagegen wehrte, kehrten die Bilder zurück. Augen aus schwarzer Glut. Hände, die sich aus Feuer und Staub zu Klauen formten. Schweiß auf nackter Haut. Mit jedem Bild sank ein Funke seines alten Körpers auf die schemenhaften Glieder der Nacht, bildete sie neu, zog sich als Fleisch über Knochen und wurde zu rabenschwarzem Haar. Pherodos wollte die Augen öffnen und den Abgrund um ihn herum in einem Sturm aus Feuer verbrennen. Doch als er die Lider hob, war es nicht die Dunkelheit, die er sah. Es war das Licht.
    Gleißend brach es in den Spalt seiner Augen, ergoss sich in ihm, dass er wehrlos wurde wie ein schwaches Tier, und da erinnerte er sich an den Frost, der ihn zerrissen hatte – den tödlichen Frost der Engel. Die Kälte flutete jede Faser seines Körpers, strömte in seine Gedanken und zerschlug sie wie das Spiel eines Kindes, und als er den Mund öffnete, um zu schreien, drang nichts als Licht aus seiner Kehle, dieses verfluchte, endlose Licht, das seinen Kopf in den Nacken riss und ihn zwang, mitten hineinzusehen. Er konnte nicht atmen, nicht denken, und gerade als er meinte, erneut von dieser Macht zerrissen zu werden, endete es. Der Schein zerbrach, und er schlug hart auf steinernem Grund auf.
    Mühsam kam er auf die Beine. Er stand auf einer schmalen steinernen Brücke. Zu beiden Seiten fiel sie steil ab, doch an ihrem Ende erhob sich ein goldenes Tor. Pherodos starrte es an. Selbst als das Licht aus dem Tor brach und ihn traf, wandte er sich nicht ab. Er fühlte den Schmerz, den sein Körper in diesem Glanz empfand, spürte, wie das gnadenlose Gold der Engel ihm die Haut in Fetzen vom Leib riss, aber da war noch etwas anderes tief in ihm, das ihn daran hinderte, sich umzudrehen und diesem Schein den Rücken

Weitere Kostenlose Bücher