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Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)

Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)

Titel: Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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zu kehren. Mit aller Macht spürte er wieder die Sehnsucht, die ihn in Nhor’ Kharadhin ergriffen und daran gehindert hatte, auf der Stelle vor der Macht der Königin zu fliehen. Zur Hölle, was lag in diesem Gold, das ihn nicht losließ? Er kniff die Augen zusammen. Da war etwas in den goldenen Schleiern, das Gesicht jener Frau, die er schon einmal gesehen hatte: Lockiges Haar fiel ihr in die Stirn, ihr Mund lachte ausgelassen, und ihre Augen waren blau wie der Himmel an klaren Tagen. Pherodos ballte die Klauen, doch es gelang ihm nicht, seine Erinnerung fortzudrängen. Sie war schwach gewesen, so schwach, dieser zarte Mensch, dass er sie nicht hatte retten können, und sie hielt etwas im Arm, etwas Kleines … Er hob die Klaue nach dem, was er verloren hatte, halb fordernd, halb abwehrend.
    Nicht mehr als ein Flüstern war es, das ihn innehalten ließ. Es war die Stimme seines Herrn, warm war sie und sanft, und sie erinnerte ihn daran … erinnerte ihn an das, was er vergessen hatte. Ein fallendes Schwingenpaar glitt durch das Bild der Frau und nahm es mit sich, er konnte das Blut riechen, das daran haftete, und kaum dass die Schwingen in dem flammenden Glanz aufgingen, schüttelte er langsam den Kopf.
    Niemals wieder.
    War er es, der das dachte? Er fühlte die Dunkelheit, die in seinem Rücken brannte, aber jede Glut war besser als die Kälte vor ihm, die nichts in sich trug als Leere und Verzweiflung. Ohne ein Wort rief er die Schatten näher, und sie erfüllten ihn mit dem Feuer der Unterwelt und trieben es zurück, das Licht, das ihn vernichten wollte. Schwarz loderten die Flammen aus seinen Wunden, sie heilten ihn, bis seine Augen in ewiger Glut standen, und er erstickte jede Erinnerung in ihrem lodernden Atem.
    Die Stimme seines Herrn schwieg, doch er spürte ihn in den Schatten, übermächtig und erhaben. Pherodos ließ den goldenen Glanz von seinem Körper gleiten wie Wasser. Einst hatte er dieses Licht auf seiner Haut gefühlt und war daran gewachsen, dann war er in seinem Schein gefallen. Doch diese Zeiten waren vorbei, es gab keine Umkehr mehr für ihn. Das nächste Mal, da er diesem Licht begegnete, würde er es in den Abgrund reißen. Dieses Licht hatte ihn verraten. Niemals – niemals würde er das vergessen.
    Regungslos starrte er dem lichtdurchfluteten Tor entgegen. Nichts war es mehr als eine Scheibe aus goldenem Glas. Dann wandte er sich ab und folgte seinem Weg in die Schatten, ohne sich noch einmal umzusehen.

20
    Nandos Atem gefror in der Luft, so kalt war es geworden. Die Finsternis der Katakomben hatte zugenommen, jeder Lichtfunke schien von den tiefen Grabnischen aufgesogen zu werden. Bisweilen dröhnte es im Inneren der Erde, als würde sich ein gewaltiges Steinwesen aus uraltem Schlaf erheben, und Nando schien es, als würde er immer tiefer abwärtsgleiten in einem endlosen Traum aus Schatten und Kälte. Immer wieder musste er innehalten, um Schwaden aus Steinstaub zu entgehen, die allenthalben in den Gängen verharrten.
    Kaya hustete auf seiner Schulter und knirschte mit den Zähnen. »Verflucht, es kommt mir vor, als würde ich Staub schlucken!«
    »Die Luft hier unten ist uralt«, raunte Avartos. »Niemand ist mehr hier gewesen seit sehr langer Zeit, selbst die mächtigsten Krieger der Garde nicht. Und das hat seine Gründe.«
    Nando dachte an die spärlichen Geschichten über diese verlorenen Gänge, die er einst in der Bibliothek Bantoryns gelesen hatte, und er roch das Blut von Engeln, Dämonen und Menschen, das auf diesem Boden vergossen worden war.
    »Es ist ein Schlachtfeld«, flüsterte Kaya, und Noemi nickte.
    »Engel, die in die Finsternis fielen«, sagte sie. »Dämonen, die für die Weigerung, sich der Königin zu unterwerfen, in diesen Gängen verbrannt wurden. Menschen, die erschlagen wurden zwischen den Fronten.«
    Carmenya strich sacht über den Stein der Wände. »Der Krieg hat uns einander entzweit, doch der Tod dieser Gänge vereint uns. Hier sind wir alle zu dem geworden, was wir jagten, und keiner von uns ahnt, wie viel wir verloren haben in dieser Dunkelheit, ohne wirklich dort gewesen zu sein. Wir … «
    Sie brach so plötzlich ab, dass Nando instinktiv stehen blieb. Er sah zu, wie sie feinen Goldstaub aus ihrer Tasche zog und eine Losung flüsterte. Leise wie ein Schmetterlingsflügel stob der Staub den Gang hinab und legte sich auf messerscharfe Fäden, die von einer Wand zur anderen gespannt ein tödliches Netz ergaben.
    »Eine Falle«, sagte Avartos, und

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