Die Comtessa
so waren sie sich uneins über die Mittel. Wenn er einwandte, grundsätzliche Umwälzungen würde der Adel niemals hinnehmen, ereiferte sich Felipe. Dann müsse man die Adeligen eben mit Gewalt verjagen. Zu lange hätten sie wie Schmarotzer an der Brust der Stadt gesoffen. Ihre Vorrechte seien zu beschneiden, die Bürgermiliz dagegen zu stärken. In Montpelher hätte man es vor kurzem ja schon vorgemacht. Selbst vor Blutvergießen dürfe man nicht zurückschrecken, wenn sich endlich Gelegenheit böte, dem Fortschritt Tür und Tor zu öffnen.
Solche Worte erschreckten Raimon. Rebellion brachte nur Unheil und war schlecht fürs Geschäft, wie sein Vater sagte. Außerdem verabscheute Raimon Gewalt aus tiefster Seele.
Während die beiden die Höfe bei Fourques abritten, hatte Ermengarda eine maurische Sklavin gefunden, die die
lenga romana
beherrschte, wenn auch mit starker katalanischer Einfärbung. Die Frau lebte schon lange auf Castel Nou, wie sich herausstellte, und kümmerte sich um den Haushalt und das persönliche Wohlergehen ihrer Herren.
Als diese Sklavin sich mit Kamm und Schere mühte, Ermengardas Haare in eine gefälligere Form zu bringen, tauchte unerwartet eine schwarze Schönheit auf, eine Nubierin aus dem fernen Afrika. Sie betrachtete die junge Fürstin lange und mit abschätzender, ja feindseliger Miene, ohne jedoch ein Wort zu verlieren. Es war das erste Mal, dass Ermengarda einen Menschen von schwarzer Hautfarbe aus solcher Nähe betrachten konnte. Die Frau war in kostbare Seide gekleidet, dabei schlank und hochgewachsen. Sie hatte einen vollen, sinnlichen Mund, und das Weiße ihrer Augen stand in krassem Gegensatz zu der tiefdunklen Farbe ihrer Haut. Doch der schwelende Hass in ihrem Blick war Ermengarda unheimlich.
»Sie ist schwanger, habt Ihr gesehen?«, sagte die Maurin, nachdem die seltsame Erscheinung ebenso schweigsam wieder gegangen war. »Seitdem ist sie auf jede Frau eifersüchtig, besonders auf eine von Stand. Sie erzählt allen, es sei Gausberts Kind, und hofft, ihn an sich zu binden. Dabei wird das Balg ja doch nur als Sklave aufwachsen, und wenn sie Pech hat, werden beide bei nächster Gelegenheit wieder verkauft. Wer weiß, wo sie dann endet. Es ist besser, man ist nicht so hübsch. Mich zum Beispiel lassen die Herren in Ruhe. Ich habe viel zu arbeiten, bin aber nicht unzufrieden.«
»Vermisst du nicht deine Heimat?«
»Manchmal schon. Aber es ist lange her. Viel besser hatte ich es da auch nicht.« Sie lachte. »Die Kerle sind überall gleich, oder?«
»Und wo hält sich
Senher
Artauds Familie auf?«
»Sie bewohnen einen Palast unten im Dorf. Sein Bruder wünscht keine Kinder um sich.«
Nun, das überraschte sie nicht.
Inzwischen hatten Küchenmägde kübelweise Wasser angeschleppt, um ihr das Bad zu richten, dem die Maurin einige Tropfen Rosenöl beimengte. Ermengarda warf die verschwitzten Männerkleider ab und ließ sich unter wohligem Stöhnen ins heiße Wasser des riesigen Holzzubers gleiten. Dabei konnte sie nicht ahnen, dass sie heimlich beobachtet wurde. Es war Gausbert, dessen Auge an einem winzigen Guckloch in der falschen Rückwand der Badekammer klebte, während er den Anblick ihrer Nacktheit gierig in sich hineinsaugte.
Ermengarda schloss die Augen. Die vom langen Ritt schmerzenden Glieder entspannten sich, bis es ihr vorkam, als schwebe sie auf dem Wasser in einer wunderbaren Duftwolke dahin. Am liebsten wäre sie für immer in diesem Zustand verblieben.
Aber dann musste sie an den gestrigen Abend denken und an das Leben der Frauen hier. Vor allem die schwarze Sklavin wollte ihr nicht aus dem Sinn. Der Hass in ihrem Blick war doch gewiss im Grunde Furcht gewesen. Furcht vor dem Leben. Warum nur hatte sie nicht mit der Frau ein freundliches Wort gewechselt oder ihr zärtlich die Hand auf den schwangeren Leib gelegt? Sie dachte an das arme Kind darin, schon vor der Geburt zur Sklaverei verdammt. Selbstverständlich wurden auch in Narbona gelegentlich Sklavenmärkte abgehalten, meist wenn in Spanien Krieg herrschte, obwohl sie selbst bisher noch nicht damit in Berührung gekommen war. Sklaven arbeiteten auf den Galeeren, in den Minen und sogar auf manchen Ländereien. Doch noch nie hatte sie sich darüber Gedanken gemacht.
Obwohl sie nicht wusste, was in der Nacht vorgefallen war, ließ es sich doch leicht erraten.
Sie verspürte eine seltsame Verbundenheit mit diesen Frauen, die jede Laune ihrer Herren wortlos zu ertragen hatten. Wäre es ihr mit Alfons nicht
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