Die Comtessa
entkommen. Der Domdechant Peire de Montbrun platzte im Auftrag des Erzbischofs in die Besprechung und bestand darauf, mit Alfons persönlich reden zu dürfen, ein Ansinnen, das ihm ausdrücklich verweigert wurde.
Bardine Saptis erschien und fiel bei erster Gelegenheit vor Ermengarda aufs Knie, küsste ihre Hand und sicherte ihr im Namen der Bürgerschaft alle Unterstützung zu. Ab sofort stünde die
militia urbana
unter ihrem Befehl. Sie nahm das Angebot höflich dankend, jedoch mit kühler Zurückhaltung entgegen. Auch Rabbi Todros fand sich ein, um seine Aufwartung zu machen. Ihn schien sie freundlicher zu begrüßen und sicherte ihm zu, dass Alfons’ Judensteuer ab sofort aufgehoben sei, ja dass man sich sogar um Rückerstattung bemühen würde.
Dann sorgte die Nachricht von Giraud de Trias’ schwerer Verwundung für Aufregung. Ermengarda befand, ihn in den Palast zu holen und überhaupt alle guten Wundärzte der Stadt einzubestellen, um ein
hospitium
für die Verletzten einzurichten.
Kaum war das geregelt, erschien Ritter Roger und fragte, wie mit der erregten Menge auf dem Marktplatz zu verfahren sei. Die Leute wollten nicht nach Hause gehen. Im Gegenteil, es kamen immer mehr, und sie verlangten eine Erklärung. In der Tat konnte man ihr Geschrei bis in die
aula
hören. Während darüber gesprochen wurde, sah Felipe, wie Roger seinen Vater in eine Ecke zog und mit ihm flüsterte. Es musste eine gute Nachricht sein, denn Menerba grinste von einem Ohr zum andern.
Felipe merkte, dass Ermengarda den Debatten inzwischen nur noch mit halbem Ohr zuhörte. Sie sah bleich und erschöpft aus, fast niedergeschlagen. Ihre Haltung war gebeugt, als ob der schwere Panzer an ihren Schultern zerrte. Warum nahm sie das verdammte Ding nicht endlich ab?
Sein Blick wanderte zu Arnaut hinüber, der abseits am anderen Ende der
aula
saß und bisher kein Wort von sich gegeben hatte. Auch er sah müde aus, das Haar wirr und schweißverklebt, Blutflecken auf dem
sobrecot.
Arnauts Augen ruhten ständig auf Ermengarda, während sie dagegen ihn zu meiden schien. Ja, es war schon auffällig, dass sie ihn nie anschaute, nicht einmal das Wort an ihn richtete, so als gäbe es ihn nicht.
Das war also der Grund für die seltsame Stimmung. Etwas musste zwischen ihnen vorgefallen sein. Sie hatten sich entzweit, gestritten. Nun, er hatte ja selbst ihren unerwarteten Zorn zu spüren bekommen. Obwohl Ermengarda Arnaut in keiner Weise zur Kenntnis nahm, war für Felipe eine geheime Spannung zwischen ihnen zu spüren. Als seien sie die Einzigen in diesem Raum, trotz der Menschen um sie herum. Arnauts Gegenwart schien sich in all ihren Gesten und unterdrückten Blicken widerzuspiegeln, auch wenn sie es geschickt zu verbergen suchte. Diese Wahrheit traf Felipe hart. Sie liebte Arnaut mehr denn je. Und das schmerzte ihn noch mehr als seine verdammten Rippen. Er hatte die Erniedrigung in Rocafort noch nicht vergessen.
Als Ermengarda sich erhob, verfielen alle in Schweigen.
»Ich will zum Volk da draußen sprechen«, sagte sie. »Und zwar beim ersten Morgengrauen. Lasst dann die Glocken der Kathedrale läuten. Es sollen alle kommen.
Vescoms
de Menerba, Bardine Saptis und Rabbi Todros bitte ich, mich zu begleiten. Ruft auch den
Senher
de Castellvell dazu. Und natürlich Raimon und mein treuer Severin. Felipe, auch du, wenn du kannst.« Sie wandte sich zum Gehen. »Und Arnaut.«
Seinen Namen hatte sie beiläufig hinzugefügt, als wäre er ihr erst im letzten Augenblick eingefallen. Dann zog sie sich zurück.
Trotz der aufwühlenden Geschehnisse und des heillosen Durcheinanders, das immer noch im Palast herrschte, hatte jemand, mit Sicherheit
Domna
Anhes, den klaren Gedanken gehabt, das Küchengesinde zu beruhigen und anzuweisen, ein frühes Mahl zu bereiten. Die Soldaten hielten inne und kauten dankbar, wo sie standen, und auch in der
aula
wurde aufgefahren. Das einfache Essen und etwas verdünnter Wein halfen, die Gemüter zu beschwichtigen.
Menerba hatte seinen
medicus
kommen lassen, ein altes Männchen mit schlohweißem Haar, dessen Augen nicht mehr die besten zu sein schienen, denn er blinzelte beständig.
Ihm folgte sein Gehilfe, gebeugt unter der Last einer schweren Umhängetasche voll seltsamer Instrumente, Verbandszeug, Tinkturen und Kräuter. Raimon hatte einen Raum gefunden, wo Felipe und Severin ungestört behandelt werden konnten.
Zuerst wurde Felipes Platzwunde über dem Auge genäht, dann andere Gesichtswunden gesäubert und mit
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