Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See
saßen, blickten gebannt auf Fringilla Vigo. Auf Fringilla, die plötzlich zu stottern begann.
»Geralt ritt am achten Januar frühmorgens zum Weingut Pomerol. Und zurück kam er … Wohl am achten nachts … Oder am neunten vormittags … Ich weiß nicht … Bin mir nicht sicher …«
»Zusammenhängender«, bat Sheala de Tancarville sanft. »Bitte zusammenhängender, Fräulein Vigo. Und wenn Euch irgendein Detail der Geschichte peinlich ist, dann übergeht es einfach.«
In der Küche, vorsichtig mit den Krallenfüßen auftretend, lief das bunte Huhn umher. Es roch nach Brühe.
Die Tür ging krachend auf. In die Küche stürmte Geralt. Auf dem windgeröteten Gesicht hatte er einen blauen Fleck und einen schwarzvioletten Streifen getrockneten Blutes.
»Los, Leute, packen«, verkündete er ohne überflüssige Vorreden. »Wir brechen auf! In einer Stunde, keinen Augenblick später, will ich euch alle auf dem Hügel vor der Stadt sehen, dort, wo die Säule steht. Mit Sack und Pack, im Sattel, bereit für einen langen und schweren Weg.«
Das genügte. Es war, als hätten sie seit langem auf diese Nachricht gewartet und als seien sie seit langem bereit.
»Sofort!«, rief Milva und sprang auf. »In einer halben Stunde bin ich fertig!«
»Ich auch.« Cahir stand auf, ließ den Löffel fallen, betrachtete den Hexer aufmerksam. »Aber ich wüsste gern, was das ist. Eine Laune? Ein Streit unter Verliebten? Oder brechen wir wirklich auf?«
»Wirklich. Angoulême, was ziehst du so ein Gesicht?«
»Geralt, ich …«
»Keine Angst, ich lasse dich nicht zurück. Ich habe es mir anders überlegt. Auf dich muss man aufpassen, Rotznase, man darf dich nicht aus den Augen lassen. Los, habe ich gesagt, packen, Satteltaschen schnüren. Und einzeln, um kein Aufsehen zu erregen, aus der Stadt, zu der Säule auf dem Hügel. In einer Stunde treffen wir uns dort.«
»Unbedingt, Geralt!«, rief Angoulême. »Verdammich, endlich!«
Im Handumdrehen waren nur noch Geralt und das bunte Huhn in der Küche. Und der Vampir, der ruhig weiter die Brühe mit gegossenen Nudeln löffelte.
»Wartest du auf eine Sondereinladung?«, fragte der Hexer kalt. »Warum sitzt du noch? Statt das Maultier Draakul zu bepacken? Und dich von dem Sukkubus zu verabschieden?«
»Geralt«, sagte Regis ruhig und nahm einen Löffel Brühe aus der Terrine. »Für den Abschied von dem Sukkubus reicht mir so viel Zeit, wie du brauchst, um dich von deiner Schwarzhaarigen zu verabschieden. Vorausgesetzt, du hast überhaupt vor, dich von ihr zu verabschieden. Aber so unter uns gesagt: Das junge Volk konntest du mit Geschrei und Getöse losschicken, dass es seine Sachen packt. Mir gebührt etwas mehr, schon aus Gründen des Alters. Ich bitte um ein paar Worte der Erklärung.«
»Regis …«
»Eine Erklärung, Geralt. Je schneller du beginnst, um so besser. Ich werde dir helfen. Gestern morgen hast du dich verabredungsgemäß am Stadttor mit dem Verwalter des Weingutes Pomerol getroffen …«
Alcides Fierabras, der schwarzbärtige Verwalter des Weinguts Pomerol, den sie am Abend vor Yule in der »Fasanerie« kennengelernt hatten, erwartete den Hexer am Stadttor mit einem Maultier; er selbst war jedoch gekleidet und ausgerüstet, als ginge es weit, weit fort ans Ende der Welt, über das Silveiga-Tor und den Elskerdeg-Pass hinaus.
»Nahe ist es wirklich nicht«, erwiderte er auf eine bissige Bemerkung Geralts hin. »Ihr, Herr, kommt aus der großen weiten Welt, da kommt Euch unser kleines Toussaint wie ein kleines Nest vor, Ihr meint, man könnte hier eine Mütze von einer Grenze zur anderen werfen, noch dazu eine trockene. Da irrt Ihr Euch aber. Bis zum Weingut Pomerol, wo wir ja hinwollen, ist es ein gutes Stück Wegs; wenn wir zu Mittag dort sind, können wir froh sein.«
»Es war also falsch«, erklärte der Hexer trocken, »so spät aufzubrechen.«
»Ja, mag sein.« Alcides Fierabras starrte ihn an und pustete in seinen Schnurrbart. »Aber ich wusste ja nicht, dass Ihr zu den Frühaufstehern gehört. Denn das kommt bei großen Herren selten vor.«
»Ich bin kein großer Herr. Auf den Weg, Herr Vorsteher, verlieren wir keine Zeit mit leerem Gerede.«
»Ihr nehmt mir das Wort aus dem Munde.«
Sie ritten durch die Stadt, um den Weg abzukürzen. Geralt wollte anfangs protestieren, er fürchtete, in den ihm bekannten überfüllten Gassen stecken zu bleiben. Der Verwalter Fierabras kannte jedoch, wie sich zeigte, sowohl die Stadt
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