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Die Deutschen im Osten Europas: Eroberer, Siedler, Vertriebene - Ein SPIEGEL-Buch

Die Deutschen im Osten Europas: Eroberer, Siedler, Vertriebene - Ein SPIEGEL-Buch

Titel: Die Deutschen im Osten Europas: Eroberer, Siedler, Vertriebene - Ein SPIEGEL-Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Großbongardt
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beugten. Was gab es nicht alles zu regeln! Europa, die arabische Welt, Afrika, überall mussten Interessen bestimmt, Gebiete zugeteilt und Grenzen neu gezogen werden. Die Hauptaufgabe aber war immer wieder: Wie weiter mit Deutschland?
    Am genauesten wusste der Franzose, was er wollte. Clemenceaus oberstes Ziel hieß: Das Deutsche Reich musste so klein wie möglich gehalten werden; Polens Stärke würde Deutschlands Schwäche sein. Dass westliche Reichsgebiete wie das Elsass an Frankreich fallen würden, war sowieso klar. Dem Briten ging das in vielem zu weit. Lloyd George wollte zum Beispiel verhindern, dass durch überzogene polnische Forderungen die »Saat eines künftigen Krieges« gelegt würde. Er ahnte: Deutschland wird, »wenn es das Gefühl hat, dass es im Frieden von 1919 ungerecht behandelt worden ist, Mittel finden, um seine Überwinder zur Rückerstattung zu zwingen«.
    Als deutlich wurde, dass sich die Gebietsansprüche der Polen gegenüber den Deutschen auf 84 000 Quadratkilometer summierten, hielt Lloyd George entschieden dagegen.
Schließlich einigte man sich auf ein Gebiet von 43 000 Quadratkilometern, die vor allem Posen und Westpreußen umfassten. In zwei Bezirken sowie in Oberschlesien sollten die Menschen in Volksabstimmungen entscheiden, ob sie sich dem deutschen oder dem polnischen Staat angliedern wollten. Danzig wurde im Versailler Vertrag mit Wirkung zum 15. November 1920 zur Freien Stadt unter dem Mandat des Völkerbundes erklärt. Glücklich allerdings war niemand mit dem Ergebnis, ganz im Gegenteil. Paderewski murrte, vor allem im Hinblick auf Danzig und Oberschlesien sei das Diktat der Sieger ein »grausamer Schlag«. Und den Deutschen war der Versailler Vertrag aus vielen Gründen verhasst. Die Gebietsverluste im Osten empfanden sie als willkürlich und äußerst ungerecht.
    Der sozialdemokratische Reichsaußenminister Hermann Müller erklärte im Juli 1919 vor der Nationalversammlung: »Wir lassen keinen Zweifel darüber, dass wir mit allen loyalen Mitteln die Revision dieses Vertrages erstreben werden.« Das war eine gemäßigte Stimme, viele Deutsche redeten erheblich radikaler.
    Während die Pariser Verhandlungen noch liefen, hatte die Oberste Heeresleitung der Reichswehr Pläne für einen Feldzug gegen Polen ausgearbeitet, die aber in der Schublade blieben. Danach träumten führende Militärs eine Weile davon, auf eigene Faust einen selbständigen deutschen »Oststaat« zu errichten. Reichswehr-Chef Hans von Seeckt giftete noch Anfang der zwanziger Jahre: »Polens Existenz ist unerträglich, unvereinbar mit den Lebensbedingungen Deutschlands. Es muss verschwinden und wird verschwinden durch eigene Schwäche und durch Russland, mit deutscher Hilfe.«
    Durch Versailles verlor Deutschland insgesamt 10 Prozent seiner Bevölkerung und 13 Prozent seines Gebiets, dazu
80 Prozent seiner Eisenerz- und 26 Prozent seiner Steinkohlenlager, 40 Prozent seiner Hochöfen und 15 Prozent seiner landwirtschaftlichen Nutzfläche. Und das Land wurde zweigeteilt. Am 20. Januar 1920 übernahm Polen weite Teile der Provinzen Posen und Westpreußen. Der Polnische Korridor entstand. Die Menschen, die dort lebten, waren nicht gefragt worden. Weit verbreitet war die Klage, die der Gutsbesitzer Nordewin von Koerber-Koerberode einer Berliner Zeitung übermittelte: »Das Land, das in harter Arbeit zu einer Perle unter den deutschen Landen geworden ist, das Land, wo Hunderttausende unserer Volksgenossen schlummern, ist vom Vaterland abgetrennt und einem Fremdvolke ausgeliefert. « Der adlige Gutsherr harrte auf seiner Scholle aus und wurde später als Abgeordneter der deutschen Volksgruppe in den polnischen Sejm gewählt. Viele seiner Landsleute aber verließen ihre Heimat, freiwillig oder unter dem Druck der neuen Verhältnisse. Die unter polnische Herrschaft geratenen Deutschen waren die »Waisen von Versailles«, schreibt der britische Historiker Richard Blanke: »Beinah über Nacht sahen sie sich nicht mehr als Teil der herrschenden Schicht in einem starken und wirtschaftlich hoch entwickelten Nationalstaat, sondern als verletzliche und beargwöhnte Minderheit.«
    So wie preußische Behörden jahrzehntelang die Germanisierung des Landes betrieben hatten, so machten die Polen nun Politik gegen die Deutschen. »Das fremde Element wird sich umsehen müssen, ob es sich anderswo besser befindet«, erklärte der spätere polnische Bildungsminister Stanislaw Grabski im Oktober 1919. Mit propagandistischem Eifer

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