Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Deutschen im Osten Europas: Eroberer, Siedler, Vertriebene - Ein SPIEGEL-Buch

Die Deutschen im Osten Europas: Eroberer, Siedler, Vertriebene - Ein SPIEGEL-Buch

Titel: Die Deutschen im Osten Europas: Eroberer, Siedler, Vertriebene - Ein SPIEGEL-Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Großbongardt
Vom Netzwerk:
werden, es bedürfe einer pragmatischen Kulturpolitik und einer besseren Ernährung.

    In einem Brief an Hitler stellte Frank die Schließung von Schulen ebenso in Frage wie die Massenverhaftungen und -erschießungen durch die deutsche Polizei. Unter Hinweis auf die Ermordung polnischer Offiziere durch die Sowjets in Katyn regte Frank an, die Polen in den »aktiven Abwehrkampf gegen den Bolschewismus einzubeziehen«. Doch Hitler, der auf rücksichtslose Härte setzte, ging auf solche Überlegungen nicht ein. Der dem »Führer« hörige Frank erließ im Januar 1944 den Befehl, dass für jeden getöteten Deutschen hundert Polen hinzurichten seien.
    Eine weitere große Tragödie während der deutschen Besatzung ereignete sich im Sommer 1944. Die »Armia Krajowa«, die Heimatarmee der polnischen Exilregierung, wollte Warschau unbedingt vor dem Einmarsch der sowjetischen Armee selbst zurückerobern und begann am 1. August einen bewaffneten Aufstand. Nach dem Attentat auf Hitler und der erfolgreichen Landung der Alliierten in der Normandie glaubten polnische Patrioten, die Deutschen würden sich aus Warschau zurückziehen. Die Aufständischen konnten die Hälfte Warschaus westlich der Weichsel befreien, doch die Besatzer schlugen mit aller Brutalität zurück. Die Rote Armee hatte zwar teilweise das Ostufer der Weichsel erreicht, wollte aber diese Stellungen erst einmal sichern. Himmler, den Hitler mit der Niederschlagung des Aufstands beauftragt hatte, ließ die SS-Truppen wahllos Zivilisten erschießen, bis die Munition knapp wurde. Mit fast 40 000 Mann starteten die Deutschen eine Offensive gegen die Rebellen in der Altstadt. Es kam zu erbitterten Häuserkämpfen, doch den Aufständischen fehlte es an Erfahrung, Waffen und Munition. Mehr als 150 000 Menschen starben bei den Kämpfen. Bevor die Heimatarmee nach 63 Tagen kapitulierte, setzte sie noch einen Funkspruch aus Warschau ab: »Ein Volk, in dem solche Tapferkeit lebt, ist unsterblich.«

    Als die Rote Armee endlich 1944 dem Horror der deutschen Herrschaft in Polen ein Ende zu bereiten begann, glich das Land einem Leichenfeld. Von 35 Millionen Menschen, die zu Kriegsbeginn in Polen gelebt hatten, waren 6 Millionen zu Tode gekommen – knapp 18 Prozent der Bevölkerung.
    Auf Krakau, die Hauptstadt des Generalgouvernements, stießen Soldaten der Roten Armee am 17. Januar 1945 vor. In Franks Diensttagebuch findet sich der Eintrag: »Der Herr Generalgouverneur verlässt mit einer Wagenkolonne bei herrlichstem Winterwetter und strahlendem Sonnenschein die Burg zu Krakau.« Auf dem Weg ins heimische Bayern verbrannte Frank mit drei Mitarbeitern den größten Teil der mitgenommenen dienstlichen Akten.
    Vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Nürnberg wurde Frank wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. In einem lichten Moment räumte er ein: »Tausend Jahre werden vergehen und diese Schuld von Deutschland nicht wegnehmen.« Doch in seinem Schlusswort klagte Hans Frank über die an Deutschen im Osten begangenen »Massenverbrechen entsetzlichster Art«, die jede »Schuld unseres Volkes schon heute restlos getilgt« hätten. Seine Schuld büßte er am Galgen.

    »Mit den Wölfen heulen«
    Weil Hitler die tschechische Industrie für seinen Krieg brauchte, schonte er das Land zunächst. Das Attentat auf Heydrich brachte die Wende.

    Von Norbert F. Pötzl

    Schon kurz nach dem Münchner Abkommen und dem »Anschluss« des Sudetenlands ans Deutsche Reich im September 1938 hatte Hitler der Wehrmachtsführung klargemacht, dass er »die Rest-Tschechei erledigen« wolle. Am 14. März 1939 beorderte er Staatspräsident Emil Hácha nach Berlin und setzte ihm so lange mit Drohungen zu, bis dieser einwilligte, »das Schicksal des tschechischen Volkes und Staates vertrauensvoll in die Hände des Führers zu legen«. Die Slowakei hatte sich am selben Tag, in Absprache mit der deutschen Regierung, vom tschechischen Landesteil losgesagt.
    Am 16. März proklamierte Hitler das »Reichsprotektorat Böhmen und Mähren«. Hácha blieb im Amt, auch eine tschechische Regierung und eine tschechische Armee existierten. Das seltsame Gebilde verfügte über eine formale Autonomie, war jedoch abhängig von den Weisungen des »Reichsprotektors« Konstantin von Neurath. Dessen Anordnungen wurden von Hácha und seinen Ministern freilich in schwejkscher Manier teils verwässert, teils verschleppt – ein augenzwinkerndes Verhältnis. Eine große Prager Tageszeitung

Weitere Kostenlose Bücher