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Die Deutschen im Osten Europas: Eroberer, Siedler, Vertriebene - Ein SPIEGEL-Buch

Die Deutschen im Osten Europas: Eroberer, Siedler, Vertriebene - Ein SPIEGEL-Buch

Titel: Die Deutschen im Osten Europas: Eroberer, Siedler, Vertriebene - Ein SPIEGEL-Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Großbongardt
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unvorstellbaren Ausmaßes«, so Englands Premier Winston Churchill.
    Mit der Aussiedlung der Deutschen hatten sich Churchill und US-Präsident Franklich D. Roosevelt schon befasst, als die USA noch gar nicht offiziell im Krieg mit Hitler waren. Auf dem vor Neufundland ankernden englischen Schlachtschiff »Prince of Wales« berieten sie im Sommer 1941 die »Atlantik-Charta« zur politischen Nachkriegsordnung. Nach der Vernichtung der Nazi-Diktatur, bestimmten die beiden Regenten, sollten zwar Selbstbestimmung
und gewaltsam beseitigte Rechte in Europa wiederhergestellt werden – jedoch solle es keine territorialen Veränderungen geben, »die nicht im Einklang mit den in voller Freiheit ausgedrückten Wünschen der betroffenen Völker stehen«. Die Vertreter Polens und der Tschechoslowakei waren nur kurze Zeit sprachlos, dann leisteten sie vehement Widerstand. So drängte der tschechische Exilpräsident Edvard Beneš auf Aussiedlung der Deutschen und stellte auch schon eine »schmerzhafte Operation« in Aussicht – mit Erfolg. Die Alliierten lenkten ein. Für Deutschland gelte die Charta nicht unbedingt, sie sei schließlich kein »Kontrakt mit unseren Feinden«, befand Churchill. Schon im September 1942 teilte Londons Außenminister Anthony Eden den Tschechen mit, sein Kabinett sei »mit dem Prinzip Umsiedlung einverstanden«. Und den Polen signalisierte Präsident Roosevelt, er werde gegen Umsiedlungen keine Einwände erheben.

    Als im Sommer 1945 die Potsdamer Konferenz der Siegermächte die neuen Grenzen beschloss, höhnte Stalin am Konferenztisch, in den an Polen zu übergebenden Territorien lebten doch sowieso keine Deutschen mehr. »Natürlich nicht«, sagte US-Präsidentenberater William Leahy zu Harry Truman, »die ›Bolschies‹ haben sie alle umgebracht.«
    Zwar hatten die West-Alliierten natürlich wenig Neigung, den barbarischen deutschen Kriegsurhebern Schutz vor der Revanche des Ostens zu gewähren. Immerhin hatte Hitlers Generalplan Ost – Germanisierung vom Baltikum bis zum »Gotengau« auf der Krim – auch vorgesehen, 30 Millionen Polen und andere Slawen zu vertreiben, zu versklaven und »rassisch unerwünschte Teile der Bevölkerung zu verschrotten«, so ein Ministeriumsvermerk. Trotzdem wurmte es westliche Unterhändler hinterher, den Sowjets zu weit entgegengekommen zu sein. »Ich bedaure, keine Zeichen der Entschlossenheit unsererseits zu sehen«, sagte sogar US-Außenminister James Byrnes nach Ende der Potsdamer Konferenz im August 1945. Immerhin hatten die Westmächte im Artikel XIII des Potsdamer Abkommens noch die Übereinkunft untergebracht, die »Überführung« der Deutschen sei »in ordnungsgemäßer und humaner Weise« zu organisieren. Dass diese nicht über die Oder-Neiße-Linie hinaus gelten würde, konnte man sich freilich seit den ersten Blutbädern der Russen in Ostpreußen bereits im Herbst 1944 ausrechnen. Propagandaminister Josef Goebbels nutzte das Massaker in Nemmersdorf, um Hass gegen die »Bestien« in Sowjetuniform zu schüren.

    Schneller als die Menschen bei Schnee und tiefem Frost fliehen konnten, überrollte die Rote Armee das Land. In den Ostprovinzen brach das Inferno aus. Eine Frau aus Heiligenbeil erinnert sich an Güterzüge mit Flüchtlingen aus Masuren, die tagelang stehen mussten – »schwangere Frauen, die geboren hatten, waren am Fußboden festgefroren, Tote wurden aus dem Fenster geworfen«. Auch auf den Chausseen grausame Bilder: Familien auf Pferdewagen, mit Handkarren oder auch nur mit ihren Koffern in den Händen schleppten sich durch Schneewehen und eisigen Wind, viele zu schwach, sich beiseite zu retten, wenn wieder ein T-34-Panzer in den Treck hineinwalzte.
    Auf den wenigen freien Straßen schob auch noch die Wehrmacht Trecks beiseite. »Wir organisieren die Verteidigung und nicht das Davonlaufen«, hatte SS-Chef Heinrich Himmler getönt. Die Nazi-Führung überließ die Menschen den sowjetischen Panzern, Jagdbombern und ihren rachedurstigen Soldaten praktisch schutzlos. Der Flüchtling Fischer erinnert sich:
    Am 24. Januar kam der Russe, mit großer Mühe haben wir dem Ortsgruppenleiter die Parteikluft ausgezogen und im Mist vergraben, sonst wären wir alle erledigt gewesen. Abends waren meine Frau und ich an die Wand gestellt, die Maschinenpistole im Genick. Nur durch den Protest polnischer Mädchen wurden wir gerettet … Die Töchter von Ernst L. wurden von einer ganzen russischen Panzerabteilung geschändet, und zwar von 8 Uhr abends bis 9 Uhr

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