Die Drachenjägerin 1 - Winter, M: Drachenjägerin 1
jetzt … habe ich es nicht gewusst? Dass ich im Feuer eines Drachen sterben würde? Habe ich es nicht immer gewusst?
» Linn!«, schrie jemand.
Der Bann brach. Sie riss sich von dem Tod los, der auf sie zugesegelt kam, bückte sich und schleuderte einen weiteren Stein. Dann blickte sie sich hastig nach einer anderen Waffe um. Dort, ein Stall – an der Wand lehnte eine Mistgabel. Von innen hörte sie ein Poltern, sie riss die Tür auf und wurde fast von den beiden Ackergäulen umgerannt, die sofort herauspreschten. Ein Feuerstoß erfasste die Tiere, sobald sie auf der Straße waren – Linn hörte auf zu denken, als die Pferde mitten im Galopp verglühten und sich erst in goldene Ungeheuer und dann in ascheschwarze Gerippe verwandelten.
» Linn!«, schrie jemand. Sie kannte die Stimme – war es Yaro?
Rasch drückte sie sich an die Stallwand, die Hand fest um die Mistgabel gekrallt, und sprang dann auf die Straße.
» Linn! Geh da weg! Lauf! Lauf!«
Versteck dich, befahl ihr Traum. Versteck dich, damit niemand dich sieht.
Jetzt wusste sie es wieder. Man musste sich verbergen, um zu überleben, sich ducken und verkriechen und erst wieder hervorkommen, wenn die Gefahr vorüber war.
Aber ihre Beine waren wie gelähmt, sie konnte sich nicht von der Stelle bewegen. Der Drache stürzte auf sie zu und riss das Maul auf. Sie sah seinen rotglühenden Schlund, die spitzen Zähne – und bevor das Feuer aus ihm herausbrach, gaben ihre Knie unter ihr nach, und sie fiel in den Staub.
Ein Fauchen ertönte, etwas traf sie und schleuderte sie zur Seite. Sie bekam nur noch mit, wie ein Knäuel aus Dunkelheit, Feuer und glänzenden Schuppen in Blaugrün und Rot dicht über ihr hinwegschoss und krachend in ein brennendes Haus stürzte, dann verschwand die Welt.
» Linn? Linni?« Jemand hielt sie im Arm, fest und zugleich sanft. Sie schlug die Augen auf und blickte in Lesters sorgenvolles Gesicht. » Dank sei Arajas, du lebst!«
» Mir geht es gut«, sagte sie und bewegte versuchsweise Arme und Beine. Dann fiel ihr ein, was geschehen war. Sie konnte nicht lange bewusstlos gewesen sein. Immer noch brannten die Höfe. Rauch hing schwer über den Straßen. Doch von den Drachen war nichts mehr zu sehen.
» Sind sie … fort?«
» Ja«, sagte Lester, » ich glaube schon. Aber vielleicht kommen sie wieder. Wir müssen uns verstecken. Die Ältesten haben beschlossen, dass die Kinder und Verletzten den Hang hinauf in den Wald fliehen und dort die Nacht abwarten sollen, während jeder, der auf den Beinen ist, beim Löschen hilft.«
Linn richtete sich auf. Obwohl ihre Knochen bei jeder Bewegung schmerzten, war offenbar nichts gebrochen. » Ich helfe mit.« Sie zögerte, die nächste Frage zu stellen. » Was ist mit den anderen? Mit Mutter und Rinek und den Kindern?«
» Die Mühle liegt zum Glück etwas abseits«, sagte Lester. » Sie steht noch.«
Sie merkte, dass er ihr auswich, fragte jedoch nicht weiter nach. Hustend folgte sie ihm zum Bach, wo die Dörfler bereits Eimer füllten, um zu löschen.
Ein nahezu vergebliches Unterfangen, da es an allen Ecken und Enden brannte. Mit tränenden Augen versuchte sie durch den Rauch zu blicken. Wenn die Drachen jetzt wiederkamen …
Jemand drückte ihr einen Eimer in die Hand. Sie tauchte ihn ins Wasser und rannte zurück ins Dorf.
Die ganze Nacht mühten die Briner sich ab, doch am Morgen wehte ein leichter Wind die Rauchwolke fort und offenbarte ihnen das erschreckende Ausmaß der Zerstörung.
Sieben Höfe sowie die Gastwirtschaft waren komplett ausgebrannt, einige weitere Schuppen und Ställe waren stark beschädigt. Fünf Familien waren vom Feuer im Schlaf überrascht worden, von ihnen hatte niemand überlebt. Die anderen hatten das nackte Leben retten können, da ihre Hunde rechtzeitig angeschlagen hatten. Im Tumult auf den Straßen waren neun weitere Menschen zu Tode gekommen, verbrannt oder durch Trümmerteile erschlagen, und die Zahl der Verletzten, mit Brandwunden oder Brüchen, betrug einige Dutzend. Linns Familie hatte wirklich großes Glück gehabt – die Mühle war verschont geblieben. Doch Grund zum Jubeln gab es nicht.
» Wo ist Rinek?«, wollte Linn wissen, als die Dorfgemeinschaft sich versammelte, müde bis auf die Knochen, mit schmerzenden Gelenken, tränenden Augen und einer Müdigkeit, die auch ein paar Stunden Schlaf nicht würden lindern können. Sie hatte ständig nach ihrem Bruder Ausschau gehalten und gehofft, dass er irgendwo weiter vorne arbeitete, vom
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