Die Drachenjägerin 2 - Winter, M: Drachenjägerin 2
gestorben«, sagte Gah Ran und hielt immer noch still. » Für die Kette. Bis zum Schluss hat er sie mit seinem Leben verteidigt, als die Hexe ihre Sklavendrachen ausschickte, um sie uns zu entreißen. Für mich ist er gestorben, damit sie mich nicht mehr als Gefahr betrachteten … Ich werde es dir erklären, aber nicht vor ihr.« Linn sah sein pochendes Herz vor sich. Es wäre so einfach gewesen, ihn zu töten.
» Nimm dir deine Rache!«, rief Chamija wild.
Linn war hergekommen, um zu kämpfen, und nicht, um Gah Ran abzuschlachten. Sie konnte es nicht tun, wenn er sich nicht wehrte. Oder galt das als Angriff, wenn er mit seiner gespaltenen Drachenzunge zu ihr sprach und ihr Dinge erzählte, die keinen Sinn ergaben?
» Dein Vater ist für das Erbe des ValaNaik gestorben«, sagte Gah Ran und fügte leiser hinzu: » Du solltest sie doch verstecken, damit niemand sie sieht!«
In diesem Moment erkannte sie seine Stimme. Versteck dich, damit niemand dich sieht … In ihren Erinnerungen hatte man ihr das zugerufen, und bis jetzt hatte sie geglaubt, es sei die Stimme ihres Vaters gewesen. Diese warme, zauberhafte Stimme, die sie ihr ganzes Leben begleitet hatte … Sie hatte geglaubt, Harlon hätte ihr das befohlen, damit sie beim Angriff der Drachen nicht zu Schaden kam. Doch nun erwachte die Erinnerung in ihrem Geist, ertönte die altvertraute Stimme. Versteck dich …
Gah Ran war es gewesen. Er hatte sich um sie gesorgt, hatte sie beschützt … Sie verstand es immer noch nicht, es war nicht zu begreifen, dass der Drache, in dem sie ihren größten Feind gesehen hatte, über sie gewacht hatte.
Die Erinnerungen veränderten sich, als würde sich ein Mosaik zusammensetzen, das bisher kein ganzes Bild ergeben hatte. Gah Ran hatte sie nie bedroht, er war nie an der Zerstörung beteiligt gewesen, wenn die Drachen kamen. Er war immer nur da gewesen, wenn es eng geworden war, und ihr war nie etwas passiert. Warum hatte sie das nicht bemerkt? Weil sie blind gewesen war vor Hass?
» Linn«, sagte er drängend, » bitte!«
Gah Ran kannte sogar den Namen, den sie sich selbst gab.
» Er verzaubert dich gerade«, sagte Chamija verzweifelt.
Es gab keine Beweise. Keine Erklärungen. Nichts. Sie musste sich entscheiden, wem sie vertrauen wollte.
» Glaub ihm nicht«, sagte Chamija, sie klang müde und traurig. » Du darfst niemals auf einen Drachen hören, das weißt du doch. Wie kannst du eine Drachenjägerin sein, wenn du die wichtigste aller Regeln missachtest? Tu es nicht.«
Wer war Freund, wer Feind? Alle Begriffe verschwammen.
» Du hast geschworen, mir zu vertrauen«, versuchte Chamija es weiter. Linn hörte ihre Stimme wie von ferne. » Meine Freundin zu sein. Wenn du jetzt auf ihn hörst, bist du verloren. Bitte, Linnia. Du hast es mir versprochen. Wir haben einen Bund geschlossen. Heute fordere ich dein Versprechen ein. Vertrau mir. Gib mir die Hand.«
Sie streckte die Hand nach Linn aus, als würde zwischen ihnen eine tiefe Schlucht klaffen, die man mit einem beherzten Sprung überwinden konnte.
Wie recht sie hatte. Und dennoch …
» Ich kenne deine Stimme«, sagte Linn zu dem Roten. » Ich dachte immer, sie gehörte meinem Vater.«
» Aber mich kennst du auch!«, rief Chamija.
» Sieh genau hin«, flüsterte der Drache. » Sieh sie dir an, wie sie wirklich ist.« Er hauchte eine Woge aus Magie zu ihnen herüber. Linn drehte sich zu dem blonden Mädchen um und stellte fest, dass es verschwunden war.
An ihrer Stelle stand eine merkwürdig vertraute Fremde. Es war Chamija, aber eine andere Chamija, keine sechzehn mehr, sondern wesentlich älter, eine Frau zwischen vierzig und fünfzig. Immer noch war sie schön, das lange Haar silbergrau und nicht blond, und ihre blauen Augen waren klar und bittend. Ein sanftes Glühen um sie her – mehr zu fühlen als zu sehen. Linn begriff, dass es das war, was eine Zauberin ausmachte, was Leute mit magischem Blut gegenseitig erkennen konnten. Doch das Schlimmste war nicht ihr Alter – schließlich war sie keine runzlige, hässliche Greisin ohne Zähne, sondern hatte immer noch Chamijas liebes Gesicht. Aber das Leuchten in ihrer Brust war unerträglich, etwas, das dort schlug und hämmerte, das beinahe zu zappeln schien, als wollte es entkommen.
» Du hast … das Herz eines Drachen?«, fragte Linn entgeistert, und hinter sich fühlte sie Gah Rans ohnmächtigen Zorn. Der Hass des Drachen war wie eine Woge, die Linn mit sich reißen wollte. Nur mit Mühe konnte sie sein
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