Die dreizehnte Gabe: Der Dunkle Wald (Die 13. Gabe) (German Edition)
Erste sein, die denen auffällt.«
»Sei
vernünftig. Je länger die Akte besteht, umso länger
sind wir alle in Gefahr«, sagte Nadia eindringlich.
»Nein
ihr seid in Gefahr! Ich war es, die die Akte beschafft hat, ohne dass
ich überhaupt darin vorkomme! Ich werde sie jetzt lesen und
danach können wir sie verbrennen«, bestimmte sie und
stolzierte auf den Gang hinaus, der direkt in ihr Schlafzimmer
führte.
N adia
war am nächsten Tag allein nach St. Benedikt aufgebrochen, um
dem Verschwinden von Silvia Insana auf die Spur zu kommen. Sie stand
vor den dicken Stahltoren der Zentrale und wartete, dass ihr ein
Krieger Gehör schenkte. Die Zentrale sah von außen wie ein
unansehnlicher rechteckiger Bunker aus Beton und Lehm aus. Er hob
sich hässlich bizarr vom Rest der Stadt ab, als wäre er gar
nicht an dieser Stelle geplant gewesen. Angewidert ließ Nadia
ihren Blick über die kahlen Wände gleiten, nirgendwo war
ein Fenster zu entdecken, außer in dem kleinen Wachhaus neben
dem Stahltor, an dem sie nun stand. Ein grimmig dreinschauender
Krieger öffnete das Fenster. »Zurzeit sind alle
Besuchszeiten gestrichen.«
»Ich
möchte niemanden besuchen. Ich wollte mich nur über eine
der letzten Gefangennahmen informieren.«
Der
Krieger hob skeptisch eine Augenbraue.
»Laut
dem Gesetz der transparenten Informationsweitergabe über die
Haltung von inhaftierten Personen sind Sie verpflichtet …«
»Ach
schon gut! Über welchen Häftling möchten sie
Informationen?«, unterbrach der Krieger sie unwirsch.
Ȇber
Silvia Insana.«
Der
Krieger hob nun auch die zweite Augenbraue.
»Um
noch mal auf das Gesetz der transparenten Informationsweitergabe zu
kommen, es soll ja dafür sorgen, dass Häftlingen keine
ungerechte Behandlung zukommt und sie tatsächlich nur die ihr
vom Gericht auferlegten Strafen abbüßen
müssen …«
»Schon
gut, sie wurde verlegt. Über ihre momentanen Haftbedingungen
kann ich nichts sagen«, sagte der Krieger genervt.
»Wohin
wurde sie verlegt?«
»Sie
wurde in die Hauptstadt des Bündnisses der Vereinigten Völker
Ayorwedens gebracht, nach Loona.«
»Ich
hab dort nachgefragt, da ist sie nicht«, sagte Nadia und ließ
ihr Orfon in ihrer Hand kreisen.
»Der
Wolkenwandler flog letzten Dienstag um neunzehn Uhr von St. Benedikt
los.«
»Das
stimmt nicht, er hatte eine mehrstündige Verspätung.
Wieso?«
»Das
weiß ich nicht, ich bin kein Fluglotse. So, laut Ihrem
dämlichen Gesetz hab ich alle Informationen, die ich habe,
weitergegeben.« Er
schlug das Fenster vor Nadia zu.
Sie
fröstelte und ging schnell durch die Stadt zurück zum
Stadttor. Mit dem Anflug eines schlechten Gewissens lief sie noch
schneller am MaGIa-Register-Amt vorbei und
gerade, als sie um die Ecke bog, stieß sie mit einem anderen
Fußgänger zusammen.
Die
Frau quiekte auf und Nadia stellte zu ihrer Überraschung fest,
dass es Lavinia war. Verwirrt musterten sie sich.
Lavinia
versuchte, große Pergamentfetzen in ihrer kleinen Handtasche
unterzukriegen.
»Was
machst du denn hier? Ich dachte du wärst in der Arbeit?«
»Ach
wirklich? Wieso dachtest du das?« Lavinia war sichtlich außer
Atem.
»Weil
du das vor drei Stunden gesagt hast.« Nadia wurde misstrauisch.
»Das
Wetterprogramm heute früh ist ausgefallen, ganz schlimmer Unfall
auf der Autobahn, viele Tote und so – viel wichtiger als das
Wetter«, sprach Lavinia abgehackt. Offensichtlich wollte sie
etwas verheimlichen.
»Was
machst du dann hier?«
»Ich
– ich besuch meine Bekannten, du weißt schon, Fabio und
seinen Onkel Cuno.«
»Die
wohnen aber nicht in dieser Richtung. Sagtest du nicht, die leben am
Stadttor zum Dunklen Wald hinaus?«
»Stimmt!
Ich begleite dich ein Stück«, sagte Lavinia kurz
angebunden und drehte sich um. Sie gingen die
breite Hauptstraße entlang.
Noch
ehe Nadia etwas antworten konnte, wechselte Lavinia das Thema. »Und,
wie lief es an der Zentrale?«
»Ich
habe keine neuen Informationen bekommen. Es ist, als wäre
Silvia Insana verschwunden.«
»Meinst
du, der Stadtwalter hat sie hinrichten lassen, nur um keine Zeugen
mehr zu haben?«
»Wenn,
dann sind wir die Nächsten!«
»Wie
läuft es mit Motzig?«, fragte Lavinia, offensichtlich
erpicht darauf, weiterhin die Führung des Gesprächs zu
übernehmen.
»Ach,
keine Ahnung. An dem Abend, als er mich in seinen Armen zum Anwesen
getragen hat, dachte ich, es hätte gefunkt. Aber im nächsten
Augenblick war er wieder ein ganz anderer. Ich versteh das nicht.«
Nadia zuckte
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