Die dreizehnte Gabe: Der Dunkle Wald (Die 13. Gabe) (German Edition)
wahrnehmen.
Ein Fluss plätscherte fröhlich an ihnen vorbei.
»Das
ist der Regenbogenfluss. Er entspringt dort in den Bergen. Irgendwie
entziehen sie dem Meer dahinter das Wasser und lassen es dann durch
die Stadt in den Dunklen Wald fließen«, erklärte
Nadia.
»Ach
von hier kommt das Wasser, das am anderen Ende der Stadt in einem
Wasserfall endet?« Maxim hatte am Rande des Dunklen Waldes
öfters ein Wasserloch besucht, in das sich ein starker
Wasserfall ergoss.
»Genau!
Dort soll es besondere Muscheln geben, deren Perlen unglaublich
wertvoll sind. Aber viele Taucher, die dort hineingestiegen sind,
kamen nie wieder heraus. Wer weiß, was dort auf einen wartet?«,
sagte Nadia und ein Schaudern durchzog ihren Körper.
»Wie
sollen wir hier Lavinia finden? Das Gelände ist riesig und
hinter den Hügeln scheint es weiterzugehen«, sagte Maxim.
»Sie
ist dort drüben, siehst du … dort bei dem blassen
Schimmer«, rief Nadia und wies auf einen nahe gelegenen Hügel.
»Woher
weißt du, dass sie es ist?«
»Meine
Gabe!«
Es
war bereits dunkel geworden, nur ein blasser Schimmer hing zwischen
zwei Hügeln. Ein breiter dunkler Schatten zog sich zwischen den
Hügeln empor.
Maxim
erkannte, als sie näherkamen, dass es mindestens drei Meter hohe
Blumen waren.
Kurz
bevor sie den Schauplatz erreichten, kamen sie an einer kleineren
Gestalt vorbei, die sie herzlich begrüßte. »Hallo
Freunde von Frau Herz! Sie ist dort drinnen.« Es
war Fabio der Elefantenjunge.
»Wo
kommen die Sonnenblumen her? Es ist November«, sagte Nadia
verwirrt.
»Das
ist mein ganz spezieller Samen! Hab ich selbst so verzaubert, hat
ewig gedauert, den zu entwickeln. Frau Herz war so traurig. Da hab
ich für sie dieses Feld gezüchtet! Das hat nur drei Stunden
gedauert«, verkündete Fabio stolz.
»Gehen
wir zu ihr!« Nadia bahnte sich ein Weg zwischen den vielen
Stängeln.
»Wieso
bist du hier draußen?«, fragte Maxim.
»Frau
Herz weint, ich fühle mich etwas fehl am Platz!«, sagte
Fabio offensichtlich unangenehm berührt.
Maxim
klopfte dem Elefantenjungen auf die Schulter und folgte Nadia.
»Wow,
eins muss ich sagen, Fabio hat das Zaubern echt drauf! Hier drinnen
ist es sogar mollig warm«, sagte Nadia beeindruckt.
»Findest
du? Ich finde es ist hier genauso warm wie außerhalb«,
sagte Maxim.
»Du
spinnst ja auch. Wollte sowieso schon sagen, du sollst deine Jacke
endlich zumachen. Es sind nicht mal drei Grad.«
»Ich
weiß nicht, was ihr habt, dieses Jahr ist es gar nicht so …«
Nadia
gebot ihn mit einer Handbewegung zur Ruhe. Erschüttert blickte
sie auf ein kleines Häufchen Elend, das zwischen den hohen
Sonnenblumen saß.
Sie
hörten Lavinia leise vor sich hinschluchzen. Ihr Körper
zuckte in unregelmäßigen Abständen. Ihre Haare
strahlten den Mondschein unnatürlich hell zurück.
Maxim
überlief bei diesem Anblick eine Gänsehaut.
»Schatz!
Was ist los?« Nadia setzte sich neben Lavinia.
Maxim
wollte sich dazusetzen, doch ein unangenehmes Gefühl hinderte
ihn daran.
Lavinia
schüttelte kaum spürbar den Kopf.
»Sag
es ruhig. Du bist schon die ganze Zeit so niedergeschlagen«,
sagte Nadia leise.
»Es
… es ist wegen meiner Schwester«, sagte Lavinia und
versteckte ihr Gesicht weiterhin in ihren verschränkten Armen.
Sie
hatte eine Schwester?
»Wo
ist deine Schwester?«
»In
einem Heim … es ist wegen ihrer Krankheit«
»Was
hat sie denn? Kann man das nicht heilen?« fragte Nadia
überrascht.
»Nein
… es ist schon vor so vielen Jahren passiert«, schniefte
sie.
»Was
ist passiert?«
Lavinia
schüttelte weinend den Kopf. »Als wir noch klein waren,
kam ein Mann in unser Haus – er hat uns überfallen. Mein
Vater war schon lange tot und unsere Mutter war nur kurz bei den
Nachbarn. Sie wollte sich doch nur schnell etwas von ihnen borgen.
Wir waren erst fünf. Er hat uns ausgeraubt. Ich habe geschrien.« Lavinia
sprach in einem so todtraurigen Ton, den Maxim niemals von ihr
erwartet hätte.
»Das
ist doch gut! Dann ist er doch sicher geflohen?«, sagte Nadia
aufmunternd.
»Nein,
das war nicht gut! Er hat mich verhext und meine Schwester ließ
unseren kleinen Spielzeugdrachen auf ihn los. Er hat ihr etwas
angetan … etwas, das ich immer noch nicht verstehe.« Sie
weinte nun stärker in ihre Handflächen hinein.
Maxim,
der immer noch nicht wusste, was er tun sollte, kniete sich neben sie
und tätschelte unbeholfen ihre Beine.
Als
Nadia ihm einen bösen Blick zuwarf, hörte er wieder auf.
»Was
genau hat er
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