Die dreizehnte Gabe: Der Dunkle Wald (Die 13. Gabe) (German Edition)
denn gemacht?«
»Ich
… ich weiß nicht! Etwas Violettes ist auf meine kleine
Livia geschossen … und dann ist sie einfach die Treppen
hinuntergefallen! Überall war Blut!«
Nadia
stöhnte. Ihr Gesicht war weiß und ihre Augen weit
aufgerissen.
»Und
dann?«
»Dann
… hab ich sie genommen und aus dem Haus gebracht«,
antworte Lavinia krächzend. Verbitterung spiegelte sich in ihren
Augen.
»Was
war mit dem Einbrecher?«
»Der
hat gelacht und ist in den zweiten Stock gerannt. Ich wollte so
schnell wie möglich weg. Ich wusste aus einem Märchen, dass
im Dunklen Wald eine magische Quelle entspringt. Ich wollte sie doch
nur retten, verstehst du? Ich war so blöd und bin in den Wald
gerannt, obwohl ich überall hätte klopfen und mir jeder
hätte helfen können. Als ich endlich in den Wald kam, hatte sie schon
aufgehört zu atmen. Ihr wisst nicht, was ich für eine Angst
hatte. Nach einer Weile, in der ich im Wald herumgeirrt war, sah ich
ein kleines goldenes Einhornfohlen. Ich folgte ihm. An einem kleinen
Bach, an dem Goldglöckchen wuchsen, blieb es stehen. Wisst ihr,
meine magischen Lieblingsblumen«, schniefte sie und dicke
Tränen rannen ihr hübsches Gesicht hinunter.
»Und
dann? Was hast du dann gemacht? Du hast doch dem Einhorn die Chance
gegeben, sich um deine Schwester zu kümmern?«, fragte
Nadia schon fast vorwurfsvoll.
»Nein
…«, weinte Lavinia.
»Ich
bin mit ihr zu dem Bach gerannt. Eine Stimme hat zu mir gesagt, dass
das Wasser ihr helfen würde. Ich hab ihr das Wasser in den Mund
geschüttet! Verstehst du? Ich war so dumm, das Einhorn hätte
sie vielleicht retten können! Aber ich … ich hab ihr das
Bachwasser gegeben!«
»Eine
Stimme? Was für eine Stimme?«
»Ich
… ich weiß nicht! Nach einiger Zeit hat sich Livia
wieder geregt. Von außerhalb des Waldes hab ich ein Horn gehört und die Krieger haben
mich nach ein paar Stunden gerettet. Sie meinten, ich wäre sehr
tief in den Wald geraten.«
»Und
deine Schwester Livia?«
»Sie
hat überlebt. Aber sie ist seltsam. Ich glaube, es war böses
Wasser, das sie getrunken hat. Es hat sie zwar wiederbelebt, aber sie
ist nicht mehr normal im Kopf, verstehst du? Vielleicht, wäre es
… wäre es besser gewesen, sie nicht zu retten«.
»Sag so was nicht! Der Wald hat deine Schwester gerade noch
gerettet. Besser, als wenn sie gestorben wäre«, sagte
Maxim.
Eine
Zeit lang sprach keiner ein Wort.
»Sag
mal, wenn das alles so stimmt, wie du es erzählt hast, dann bist
du ja in St. Benedikt aufgewachsen«, wunderte sich Nadia nach
einer Weile.
Lavinia
blickte sie mit großen tränenreichen Augen an. »Ich
weiß es nicht genau, ich glaube schon. Ich kann mich nicht mehr
erinnern. Dieser Überfall war das Erste, was mir aus meiner
Kindheit wieder eingefallen ist. Aber ich hatte schon öfter das
Gefühl. ich würde einige Häuser und Gegenden in St.
Benedikt kennen. Und seit ein paar Tagen hab ich so seltsame Träume.
Langsam kann ich mich an immer mehr erinnern. An dem Tag, als du mich
in der Stadt getroffen hast, war ich in der Bibliothek. Ich hab dort
einen Zeitungsartikel gefunden, einen alten. Dort stand die
Geschichte, die ich euch gerade erzählt habe. Genauso, wie ich
sie in den letzten Nächten immer geträumt habe. Sogar
unsere Namen stehen in dem Bericht. Ich glaube tatsächlich, dass
meine Schwester und ich hier aufgewachsen sind.«
Maxim
runzelte die Stirn. »Wieso kannst du dich nicht sicher
erinnern?«
»Du
Witzbold! Wenn ich das wüsste …«
»Und
deine Mutter?«, fragte Nadia.
»Die
ist verschwunden, hat mich und meine Zwillingsschwester bei unserer
Oma gelassen.«
»Und
was sagt deine Oma dazu?«, fragte Maxim.
»Ich
denke nicht, dass sie davon eine Ahnung hat. Sie wohnt etwas auswärts
in einem kleinen Dorf. Sie hat ganz sicher keine Ahnung von dem, was
vor sich gegangen ist und geht.«
»Wie
können wir herausfinden,
was da passiert ist? Was haben die Ärzte über deiner
Schwester gesagt?«, wollte Nadia wissen.
»Ach
ist doch egal.« Lavinia stand auf. »Sie ist jetzt auf dem
Niveau einer Fünfjährigen, eben zurückgeblieben.« Lavinia hatte
leise gesprochen, als würde sie sich schämen. Sie wischte
sich die Tränen aus dem Gesicht.
»Wie
wär’s, wenn wir sie zu Weihnachten einladen würden?«
Lavinia
nickte schüchtern.
Dunkle
Weihnacht
In
St. Benedikt waren die Dächer märchenhaft in weißen
Schnee getaucht, der Dunkle Wald glich einem idyllischen Zauberwald.
Maxim schätze, es lagen mindestens einen
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