Die Durchschnittsfalle (German Edition)
wohlwollende, freiwillige Zuwendung, diese Gnade dem Menschen zuteil werden lässt? Was ist damit eigentlich gemeint? Aber bevor ich nun schon wieder eine Diskussion um den für mich so verwirrenden Gebrauch der Wörter „talentiert“, „begabt“ und jetzt auch noch „begnadet“ entfache, schließe ich dieses Kapitel lieber noch mit einer ganz naturwissenschaftlichen Erkenntnis von Kollegen.
Der Tänzer
Sportler, Handwerker, Tänzer … verwenden ihren Körper zum Erbringen der Leistung (wer eigentlich nicht? – aber in diesen Fällen eben vorwiegender). Nun könnten und müssten wir all das, was wir über die genetischen Aspekte der körperlichen Entwicklung des Menschen und ihrer Bedeutung für Sportler gesagt haben, natürlich auch für Tänzer anführen. Gar keine Frage, auch hierfür sind Muskeln, Herzfunktion, Lungenvolumen, Arm- und Beinlängen etc. von größter Bedeutung. Das Wissenschaftsteam um Richard Ebstein von der Hebräischen Universität in Jerusalem hat vor geraumer Zeit eine genetische Untersuchung an Tänzern durchgeführt. Sie kamen dabei zu dem Schluss, dass bei Profi-Tänzern die für das Publikum so begeisternde Körperbeherrschung und Ausstrahlung wohl nicht nur dem harten Training zuzuschreiben sind. Die Wissenschaftler verglichen genomische Sequenzen von erfolgreichen Tänzern, Sportlern und Menschen, die weder das eine noch das andere erfolgreich ausüben (können). Besonders bei zwei Genen sind die Wissenschaftler fündig geworden: Das Serotonin-Transporter-Gen und das Gen für den Rezeptor für das Hormon Vasopressin wurden in für Tänzer statistisch charakteristischen Varianten gefunden (Bachner-Melman et al., PLoS Genet., 2005).
Vasopressin wurde schon früher in verschiedenen Studien mit der Ausdruckskraft und der Kommunikationsstärke von Menschen in Verbindung gebracht. Und der Botenstoff Serotonin reguliert bekannterweise die Gehirnaktivität, indem er Wahrnehmung, Gefühle und Einfühlungsvermögen steuert. Zu den körperlichen genetischen Leistungsvoraussetzungen, die wahrscheinlich bei Sportlern und Tänzern ähnlich sein könnten, kommen also noch genetische Anlagen dazu, die spezifisch für Tänzer sind? Gerade in diesem Zusammenhang wird aber sofort die große Bedeutung der Umwelt, des spezifischen Trainings bewusst, wenn man sich nur kurz einmal einen Gewichtheber beim Balletttanz vorstellt.
Kunst
Das Wechselspiel der Talente –
kein Erfolg hängt nur von einem Talent ab
Am Übergang vom vorigen zu diesem Kapitel will ich einen Aspekt herausarbeiten, der allerdings für alles, was in diesem Buch über Leistungsvoraussetzungen zur Erlangung von Erfolg gesagt wird, gilt. Es gibt keinen Erfolg, der nur von einer Leistungsvoraussetzung mitbestimmt wird. Es ist immer notwendig, viele verschiedene Leistungsvoraussetzungen durch harte Arbeit zu entdecken und in eine besondere Leistung umzusetzen. Man müsste eigentlich ebenso sagen, Erfolg entsteht nicht durch eine besondere Leistung. Auch hier gilt: Viele Leistungen gemeinsam lassen den Erfolg entstehen und wachsen. Niemals hängt Erfolg an einer einzigen dicken Schnur, an einer einzigen Leistungsvoraussetzung, die umgesetzt werden muss.
Erfolg ist stets das Ergebnis vieler besonderer Leistungen, wofür es notwendig ist, viele verschiedene oft auch dünne Schnüre an Leistungsvoraussetzungen zu entdecken und durch harte Arbeit zu einem dicken Seil zusammenzudröseln.
Am Übergang zwischen diesen beiden Kapiteln wird uns klar, dass ein Tänzer natürlich körperliche Begabungen (körperlich-kinästhetische Intelligenz) haben muss, wie wir es bereits besprochen haben. Aber handelt es sich um Kunst, sind etwa ein musikalisches Talent und andere künstlerische Begabungen mindestens genauso wichtig. Bei künstlerischen Leistungen fällt mir auch sofort die unverzichtbare Notwendigkeit intrapersonaler (Selbsterkenntnis seiner Gefühle, Schwächen und Stärken) und interpersonaler (die Fähigkeit, Stimmungen und Gefühle anderer zu erfassen) Intelligenz ein. Und einen besonderen beruflichen Erfolg, eine besondere Leistung ohne den erfolgreichen Einsatz emotionaler Intelligenz können wir uns überhaupt nicht vorstellen. Auch das haben wir bereits gesagt. Ich möchte Sie bitten, bei allem Gesagten und noch zu Sagenden, immer wieder einmal in das Kapitel „Verschiedene Begabungen“ zurückzublättern. Sie werden feststellen, dass es keine besondere Leistung, keinen Erfolg gibt, bei der / dem wir nicht alle genannten
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