Die Eifelgraefin
auf ihrer Unterlippe herum. «Meint Ihr, ich sollte es versuchen? Ich fürchte mich ein wenig davor, aber vielleicht ist es der einzige Weg herauszufinden, was das alles zu bedeuten hat.»
«Also gut, wir versuchen es.» Elisabeth nickte entschlossen. «Aber du machst das nicht allein, sondern schläfst bei mir im Bett. So kann ich dich schnell wecken, wenn du einen schlimmen Traum hast.» Ihr war zwar etwas mulmig, aber sie nahm ein Leinentuch, umwickelte damit ihre Hand, zog dann vorsichtig das Kruzifix aus dem Kästchen und schob es unter eines der Kissen auf dem Bett. Als Luzia ihren Kopf behutsam darauf bettete, blinzelte sie überrascht. «Es hat aufgehört zu summen, Herrin!»
***
Sie stand allein auf einem Feld. Um sie herum zogen dichte Nebelschwaden auf. Sie versuchte sich zu orientieren, konnte aber nicht mehr erkennen, in welcher Richtung die Burg lag. War sie überhaupt in der Nähe der Burg?
Es schien Abend zu sein – oder früher Morgen? Wohin war sie unterwegs? Sie erinnerte sich nicht. Zögernd machte sie ein paar Schritte, als sie plötzlich ein Geräusch hörte. Nein, eine Stimme. Irgendwo in der Ferne rief jemand nach ihr.
Mit klopfendem Herzen lauschte sie und versuchte herauszufinden, aus welcher Richtung die Stimme kam. Dann ging sie wieder ein Stück, blieb aber erneut stehen, da der Nebel sie in immer dichtere Schwaden hüllte.
Wieder hörte sie die Stimme, näher diesmal. Sie rief ihren Namen! Ihr Herz begann zu rasen. Da rief ein Mensch in höchster Not nach ihr! Sie blickte sich verzweifelt um, doch je mehr sie sich bemühte, den Nebel zu durchdringen, desto dichter wurde er.
Als sie erneut die verzweifelte Stimme vernahm, ging sie aufs Geratewohl los. Je mehr sie sich jedoch anstrengte, desto leiser und undeutlicher wurde die Stimme und desto dichter der Nebel.
Verwirrt blieb sie stehen, und sofort lichteten sich die Schwaden wieder etwas, und die Rufe waren deutlicher zu hören. Wie angstvoll die Stimme klang!
«Wo bist du?», wollte sie rufen, doch es kam kein Laut aus ihrem Mund. Nicht einmal ihre Lippen hatten sich bewegt! Warum konnte sie nicht sprechen?
Erneut vernahm sie den Ruf, ganz nahe. Und plötzlich wusste sie, dass diese Stimme in ihrem Kopf erklang. Wieder rief sie nach ihr, eindringlicher diesmal und verzweifelter.
Ohne noch weiter auf den Nebel zu achten, schloss sie die Augen und setzte blind einen Fuß vor den anderen. Nurihr Gefühl leitete sie und die Stimme, die nun ganz klar in ihrem Kopf erklang.
Schließlich blieb sie stehen und öffnete die Augen wieder. Der Nebel war fort. Sie stand an einem Abgrund.
Wieder rief die Stimme ihren Namen, nun ganz offenbar in Todesangst. Und dann erblickte sie die Hände am Rand des Abgrunds. Entsetzt warf sie sich auf den Boden und umfasste die Finger, die sich krampfhaft an einen gezackten Felsen krallten. Diese Hände – sie kannte sie! O Gott, jetzt wusste sie, wer dort am Abgrund hing und ihre Hilfe erflehte.
«Halte aus!», rief sie, und auch ihre eigene Stimme war nur in ihrem Kopf zu hören. «Ich bin da, ich helfe dir!»
«Hilf mir!», schallte es in ihrem Kopf und in ihrem Herzen. «Geh nicht fort!»
Verzweifelt hielt sie die Hände, die die ihren vertrauensvoll umklammerten. «Ich bin da», antwortete sie und spürte heiße Tränen auf ihren Wangen. «Ich gehe nicht fort.»
***
Als Elisabeth am folgenden Morgen erwachte, fühlte sie sich wie gerädert. Sie konnte sich nicht erinnern, was sie geträumt hatte, meinte aber, auf ihren Wangen getrocknete Tränen zu spüren.
Auch Luzia sah nicht sehr erholt aus. Mit verquollenen Augen beugte sie sich über die Waschschüssel und spritzte sich Wasser ins Gesicht.
«Ich habe wieder von unserem Haus geträumt», berichtete sie. «Zweimal sogar. Und wieder war es ganz leer, imganzen Ort war keine Menschenseele. Und immer, wenn ich zur Kirche kam und die Glocken läuteten, bin ich aufgewacht.» Verzagt blickte sie Elisabeth an. «Was kann das nur bedeuten?» Sie ging zurück zum Bett und schob die Hand unter ihr Kissen. Stirnrunzelnd tastete sie nach dem Kruzifix, bis sie es schließlich fand. «Es ist zwischen uns gerutscht.» Prüfend betrachtete sie das Kreuz von allen Seiten. «Es glüht nicht mehr, Herrin. Aber es summt noch leise.»
«Lass sehen!» Auch Elisabeth musterte das Kruzifix genau, dann legte sie es sorgsam zurück in das Kästchen. «Ich glaube, auch ich habe etwas geträumt. Aber ich weiß nicht mehr, was, außer …» Sie tastete noch
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