Die Eifelgraefin
junges Mädchen, wäre da nicht sein sorgsam gestutzter Kinnbart gewesen.
Heinrich breitete erneut die Arme aus. «Was ist, Leute? Glaubt ihr etwa nicht, dass dies Zwillinge sind? Dann will ich euch verraten, dass Friedbert das Ebenbild seiner Mutter ist, wohingegen Siegbert ganz seinem Vater gleicht.» Wieder erklang Lachen. Heinrich gluckste selbst über seinen Scherz. «Nur die Haarfarben hat der Herrgott verwechselt.» Er verbeugte sich. «Euer guter Herr Simon hat uns freundlicherweise erlaubt, unser Lager ein paar Tage lang bei euch aufzuschlagen. Wie ich hörte, wird es hier übermorgen ein frohes Fest geben. Da muss uns wahrlich eine Eingebung geleitet haben, als wir von Mayen aus hier herübergereist sind. Es wird uns ein großes Vergnügen bereiten, euch alle mit unseren Künsten zu erfreuen!»
Mit diesen Worten sprang auch er vom Wagen und trat noch einmal auf Simon zu, der ihm die Erlaubnis gab, die Maultiere auszuspannen und im Pferdestall unterzubringen. Den Wagen schoben die anderen Gaukler dann gemeinsam neben den Bergfried, wo er niemandem im Wege stehen würde.
Die Knechte und Mägde zerstreuten sich und machten sich nach und nach wieder an ihre Arbeit. Elisabeth ging mit Gertrud zurück zum Palas, und Luzia beeilte sich, ihnen zu folgen. Als sie an dem vollbepackten Gefährt vorbeilief, streifte sie versehentlich den jungen Mann, der Roland genannt wurde, als dieser eine Kiste vom Wagen hob. Er stellte die Kiste ab und verbeugte sich höflich vor ihr. Dabei sah er sie auf eigentümlich intensive Weise an. Luzia musste sich zwingen, sich von seinen strahlend blauen Augen loszureißen. Hastig eilte sie weiter.
8. KAPITEL
Erschöpft schleppte sich Luzia die finstere Wendeltreppe hinauf in die Schlafkammer. Hedwig hatte am Nachmittag alle Dienstboten zusammenrufen lassen und jedem von ihnen Aufgaben zur Vorbereitung für das Fest zugeteilt. Luzia hatte mit Thea, Leni und Trudi Töpfe, Kannen und Schüsseln gescheuert, Silber- und Zinngeschirr poliert, unzählige Hühner gerupft, Forellen aus den burgeigenen Fischteichen ausgenommen und Eimer um Eimer voll Wasser für den Badezuber herbeigetragen und heiß gemacht. Nicht nur Elisabeth, sondern auch Hedwig und die beiden Edeljungfern hatten baden wollen. Sogar Simon nutzte die Gelegenheit und ließ sich hinterher von seinem Leibknecht den Bart stutzen.
Nun war es schon sehr spät, Luzia schätzte die Zeit auf kurz vor Mitternacht. Elisabeth war schon vor einer Weile zu Bett gegangen, doch Luzia hatte den anderen Mägden noch bei den letzten Arbeiten geholfen. Nun war sie so müde, dass sie beinahe über ihre eigenen Füße gestolpert wäre. Leise, damit sie ihre Herrin nicht weckte, zog sie sich aus und wollte gerade unter ihre Decke schlüpfen, als sie im Schein der letzten Kerze etwas neben Elisabeths Kopf aufblinken sah. Das silberne Kruzifix lag dort neben dem Kissen. Offenbar hatte Elisabeth es nach ihrem Abendgebet nicht zurück in das Kästchen gelegt. Vielleicht hatte sie gedacht,Luzia wollte ebenfalls vor dem Schlafengehen noch eine kleine Andacht halten.
Müde blickte Luzia auf das Kreuz. Nein, heute war sie eindeutig zu müde. Sie nahm es, legte es vorsichtig in den kleinen Kasten zurück und stellte ihn auf die kleine Truhe, die zwischen dem Bett und ihrer Strohschütte stand.
Gähnend kroch sie unter ihre Wolldecke, blies die Kerze aus und rollte sich zusammen. Einmal noch blinzelte sie in die Dunkelheit und hob erschrocken den Kopf. Was war das für ein Licht? Sie rieb sich über die Augen und starrte zu dem Kästchen, dessen Deckel sie nicht verschlossen hatte. Hatte das Kruzifix nicht eben aufgeleuchtet?
Luzia tastete vorsichtig auf der Truhe herum und nahm dann das Silberkreuz vorsichtig in die Hand. Es fühlte sich warm an, wie immer. Doch von einem Leuchten war nichts zu erkennen. Sie musste sich getäuscht haben.
Das glatte Silber fühlte sich angenehm an. Luzia ließ den Kopf zurück auf die Matratze sinken und schloss die Augen wieder. Sie umfasste das Kruzifix fester und fiel dann in einen erschöpften Schlaf.
***
Elisabeth erwachte von einem Wimmern. Verwirrt blickte sie sich in der dunklen Schlafkammer um. Es musste noch tief in der Nacht sein; das fahle Mondlicht schaffte es diesmal kaum, den Raum ein wenig zu erhellen. Als sie das Wimmern erneut vernahm, setzte sie sich auf. «Luzia?», flüsterte sie.
Ihre Magd antwortete nicht. Offenbar schlief sie, wälztesich aber auf ihrer Matratze unruhig hin und her.
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