Die Eifelgraefin
nach der vermeintlichen edlen Jungfer Luzia Bongert erkundigte.
Sie kaute besorgt an ihrer Unterlippe und ging über den Hof auf Bruder Georg und Friedel zu, die beim Pferdestall auf sie warteten.
«Da bist du ja, mein Kind», begrüßte der Benediktiner sie freundlich. «Wir müssen noch einen Moment warten. Herrn Friedels Pferd hat ein Hufeisen verloren, und nun muss der Knecht ihm ein anderes satteln.» Er winkte Luzia, mit ihm ein Stückchen beiseitezutreten, und fragte im Flüsterton: «Elisabeth erzählte mir von deinem Traum. Bist du sicher, dass er durch das Kruzifix hervorgerufen wurde?»
Luzia schüttelte verzagt den Kopf und hob gleichzeitig die Schultern. «Nein, sicher bin ich nicht. Ich weiß ja nicht, ob ich diesen Traum auch ohne das Kreuz gehabt hätte.»
«Hattest du denn in letzter Zeit ungewöhnliche Träume?»
«Nein.» Erneut schüttelte sie den Kopf, diesmal entschieden. «Seit dem Traum mit der Herrin und dem Reisewagen nicht mehr.»
«Und vorher?», hakte der Mönch mit ernstem Gesicht nach. «Hattest du vorher schon einmal seherische Träume?»
«Seherische Träume?» Entsetzt starrte sie ihn an.
Bruder Georg legte mahnend einen Finger an die Lippen. «Es gibt durchaus Menschen, die die Fähigkeit besitzen, die Zukunft in ihren Träumen zu sehen.»
«Aber das ist doch Hexerei!», stieß sie erschrocken hervor.
«Psst!» Bruder Georg sah sich vorsichtig um, doch niemand hatte Luzias Worte gehört. Friedel war im Stall verschwunden und sprach offenbar mit dem Knecht. «Nein», sagte er ruhig. «Nicht alle Menschen, die seherische Kräfte besitzen, sind Hexen. Sogar einige Heilige hatten diese Gabe, denn sie erhielten sie von Gott, dem Allmächtigen.»
Luzia sah ihn groß an. «Ich hatte aber nie solche Träume. Ganz bestimmt nicht», setzte sie mit Nachdruck hinzu.
Bruder Georg legte ihr begütigend eine Hand auf den Arm. «Schon gut, mein Kind. Es war ja nur eine Vermutung. Dennoch hat dich dieser Traum letzte Nacht derart in Sorge versetzt, dass du deine Familie aufzusuchen wünschst.»
Luzia nickte und senkte mit einem mulmigen Gefühl im Bauch den Blick.
Bruder Georg klopfte ihr leicht auf die Schulter. «Keine Sorge, Kind. Wir reiten ja gleich los. Und ganz gewiss wird sich zeigen …»
«Luzia!», schallte es laut über den Burghof.
Die junge Magd und Bruder Georg drehten sich um und sahen einen der Wachmänner vom Torturm mit Luzias Bruder Anton auf sich zukommen.
«Kennst du den Burschen?», fragte er sie in brummigem Ton und hielt Anton dabei fest an der Schulter gepackt.
Luzia nickte heftig. «Aber ja, Herr. Das ist mein Bruder aus Blasweiler.»
«Na gut.» Der Wachmann ließ Anton los. «Ich wollte nur sichergehen. Wir müssen ja nicht jeden auf die Burg herauflassen.» Damit drehte er sich um und ging wieder davon.
«Tünn!» Luzia umarmte ihren Bruder heftig. «Was machst du denn hier?» Sie trat einen Schritt zurück und blickte ihm besorgt ins Gesicht. «Ist etwas geschehen?»
«Nö.» Anton schüttelte grinsend den Kopf. «Ich wollt dich einfach mal besuchen kommen. Der Eisenhauer Karl hat eine Lieferung Töpfe und Kannen zum Markt nach Kempenich gebracht und hat mich mitgenommen. Er hat gesagt, ich muss spätestens am Mittag wieder unten am Marktplatz sein, wenn ich wieder mit ihm zurückfahren will. Sonst muss ich den ganzen Weg laufen.»
Erleichtert zog Luzia ihren Bruder an sich. «Ich freue mich wirklich, dich zu sehen, Tünn. Weißt du, ich war ohnehin gerade auf dem Weg nach Blasweiler.» Sie deutete auf das Pferd und das Maultier, die bereits vor dem Stall bereitstanden. Dann wandte sie sich an Bruder Georg. «Ich glaube, wir müssen nun doch nicht nach Blasweiler reiten.»
Bruder Georg nickte zustimmend. «Ich sage Herrn Friedel und dem Stallknecht Bescheid.» Er lächelte Anton wohlwollend zu und ging eilig zum Stall hinüber.
«Warum wolltest du denn zu uns kommen?», wollte Anton wissen. «Du warst doch erst vor kurzem da.»
Wahrscheinlich war es besser, wenn sie ihren Traum für sich behielt. «Ich wollte euch etwas bringen», erklärte sie und nestelte die Gürteltasche auf.
Anton machte große Augen, als er die Münzen darin erblickte. «So viel Geld?»
Luzia nickte lächelnd. «Meine Herrin bezahlt mich gut, und ich dachte, ihr könntet es bestimmt brauchen. Ich habe hier ja alles, was ich benötige.» Sie zupfte an Antons schon etwas schäbigem Hemd. «Du wächst aus deinen Sachenheraus, kaum dass Mutter sie für dich genäht hat.
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