Die Eiserne Festung - 7
Coris das Erreichen von Fairstock für unmöglich gehalten hatte. Der Winter im Golf von Dohlar hatte Coris' Befürchtungen noch zu übertreffen vermocht. Nachdem sie erst einmal den Kanal zwischen der Klippeninsel und der Wal-Insel passiert hatten, waren sie in einen mächtigen Sturm geraten. Coris war sich insgeheim sicher gewesen, dieser Sturm werde die Galeere mit der flachen Seitenwandung und dem fast nicht vorhandenen Tiefgang in die Tiefe reißen. Die gewaltigen Wellen waren fast ebenso hoch gewesen wie der Mast der Galeere, und einmal hatten sie zwei ganze Tage vor Anker liegen müssen, während die Pumpen die ganze Zeit über im Einsatz blieben. Zwei Tage lang hatte es keine warmen Mahlzeiten mehr gegeben: Nicht einmal Yuthains Smutje war es gelungen, das Feuer in der Kombüse am Leben zu halten. Mehr als einmal hatte knöcheltief eisiges Wasser in der Kabine des Grafen gestanden. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Schiff wirklich um sein Uberleben gekämpft. Diese Krise jedoch hatten sie überstanden. Doch damit hatte es noch kein Ende gehabt mit dem entsetzlichen Wetter - oder den Krisen, die sie noch überstehen mussten. Die Seereise war ein Albtraum aus Schnee, furchtbaren Sichtverhältnissen und vereister Takelage gewesen. Mit jedem Tag, den sie überstanden, war Coris' Respekt vor Yuthain und seinen Männer weiter gewachsen.
Trotzdem konnte er es kaum noch erwarten, endlich von Bord gehen zu dürfen. Selbst unter Idealbedingungen wäre es eine Plage gewesen, mehr als einen Monat in einer derart beengten Kabine zu verbringen. Aber unter den herrschenden Bedingungen war es die Hölle gewesen.
Natürlich bleibt immer noch diese entzückende Kleinigkeit, dass jeder Schritt, den ich Fairstock näher komme, mich auch Zion und dem Tempel näher bringt, rief sich der Graf ins Gedächtnis zurück. Andererseits hat der Erzengel Bédard ja gesagt: ›Es ist genug, dass ein jeglicher Tag seine eigene Plage habe.‹ Sollte ich jemals lebendig von diesem Schiffherunterkommen, bin ich durchaus bereit zuzulassen, dass der morgende Tag für das Seine sorgt!
»Ich denke, wir werden noch etwa drei Stunden bis zum vorgesehenen Ankerplatz brauchen, Mein Lord«, erklärte Yuthain. Ganz offensichtlich hatte er seine Überlegungen hinsichtlich der Karte abgeschlossen. »Wären die Sichtverhältnisse besser, würde jetzt wahrscheinlich schon ein Lotsenboot längsseits gehen. Wie es aussieht, werden wir uns jedoch wohl oder übel bis ganz zum Ziel unseren Weg allein suchen müssen. Aber wie auch immer es nun kommen mag, ich denke, wir werden Sie, Mein Lord, rechtzeitig zum Abendessen an Land haben.«
»Das weiß ich zu schätzen, Captain. Ich glaube nicht, dass sich jemand während dieser Überfahrt besser um mich hätte kümmern können als Sie. Dennoch hoffe ich, Sie werden sich nicht persönlich angegriffen fühlen, wenn ich zugebe, dass ich heute Nacht gern in einem Bett nächtigen würde, das sich nicht bewegt.« Er verzog das Gesicht. »Ich bezweifle zwar, dass mir mehr als eine solche Nacht vergönnt sein wird - vielleicht zwei, wenn ich richtig viel Glück habe -, aber ich habe die Absicht, das zur Gänze auszukosten!«
»Ich vermag es Ihnen nicht zu verübeln«, erwiderte Yuthain. »Zugegebenermaßen habe ich nie verstanden, warum jemand lieber an Land übernachtet, wenn er die Wahl hat. Allerdings muss ich auch zugeben, dass ich, bevor ich meine eigene Kabine und meine eigene Koje hatte, darüber anders gedacht habe. Natürlich tut es meinem Ruf, ein alter Seebär zu sein, immens gut«, wieder grinste er seinen Passagier an, »dass das schon sehr lange her ist.«
»Wahrscheinlich gleicht einem erfahrenen Seefahrer wie Ihnen die Bewegung des Schiffes einer sanft geschaukelten Wiege«, gab Coris zurück. »Aber trotzdem: Ich glaube immer noch, dass das ein anerzogener Geschmack ist. Mit Ihrer Erlaubnis würde ich gern davon absehen, ihn mir ebenfalls anzueignen.«
»Jedem das Seine, Mein Lord«, erwiderte Yuthain freundlich.
Tatsächlich hatte Yuthain mit seiner Prognose genau richtig gelegen. Sie hatten wirklich den gesamten Weg ohne Lotsenboot zurücklegen müssen, bis sie schließlich undeutlich die Umrisse anderer Schiffe ausmachten, die bereits vor Anker lagen. Einem dieser Schiffe waren sie nahe genug gekommen, dass dessen Ankerwache empörte Warnschreie ausstieß.
»Ach, halt die Backen!«, bellte Yuthain durch sein Sprachrohr zurück. »Das ist ein Schiff Seiner Majestät des Kaisers, unterwegs im Auftrag
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