Die Eiserne Festung - 7
der Kirche! Außerdem: Wenn ich deinen jämmerlichen Kahn versenken wollte, hätte ich doch wohl auf die Schiffsmitte gezielt und nicht bloß deinen armseligen Bug gestreift, du Idiot!«
Augenblicklich war das Geschrei vom anderen Schiff verstummt, und Yuthain blinzelte Coris zu.
»Um ehrlich zu sein, Mein Lord«, gestand er deutlich leiser, »ich hatte die überhaupt nicht gesehen. Ich glaube, ich bin mindestens ebenso überrascht wie die da drüben, dass ich denen nicht die Ankertrosse zerfetzt habe! Denen gegenüber zugeben würde ich das allerdings nicht einmal unter Folter!«
»Ihr Geheimnis ist bei mir sicher, Captain«, versicherte Coris ihm. Dann ging er unter Deck, um sich zu vergewissern, dass Seablanket auch wirklich alles für den Landgang eingepackt hatte.
»Ich habe alles zweimal überprüft, Mein Lord«, erklärte der Kammerdiener mit der gewohnt mürrischen Miene. »Und trotzdem bin ich mir sicher, dass ich irgendetwas vergessen habe. Oder verlegt. Oder dass einer von Captain Yuthains Langfinger-Matrosen es uns abgenommen hat, als ich gerade nicht hingeschaut habe.«
»Ich verspreche Ihnen, ich werde Sie nicht für die Dieberei eines anderen zur Rechenschaft ziehen, Rhobair«, sicherte Coris ihm zu. Falls dieses Versprechen dazu angetan war, Seablankets mürrische Stimmung in irgendeiner Weise zu lindern, war dies dem Kammerdiener nicht anzusehen. Andererseits kannte Seablanket ihren Zeitplan ebenso gut wie Coris selbst. Daher bezweifelte der Graf, dass der Mann dem letzten Teil ihrer Reise freudiger entgegensah als er selbst.
Jetzt saß der Graf auf der Mittschiffs-Ruderbank einer Barkasse. Unter zehn Rudern war sie schließlich doch noch längsseits gegangen, um den Grafen an Land zu bringen. Coris ertappte sich bei dem Gedanken, was diese Reise wohl noch für ihn bereithalten mochte. Der Graf blies von Natur aus nicht viel Trübsal. Doch im Augenblick hatte sich seine Stimmung der seines Kammerdieners anverwandelt. Das Gute an den Witterungsverhältnissen war, dass kaum Wind wehte. Trotzdem hielt das die offene Barkasse nicht davon ab, sich anzufühlen wie Shan-weis höchsteigenes Kühlhaus. Die Gewissheit, dass die bittere Kälte, die Coris im Augenblick empfand, nur ein schwacher Abglanz dessen war, was ihn erwartete, hob seine Stimmung selbstredend nicht. Vor ihnen lag immerhin noch die Überquerung des Pei-Sees.
Natürlich bleibt die Frage, wie kalt es wohl zwischen hier und dem Pei-See wird, sinnierte er säuerlich. Bei Langhorne, ich hoffe wirklich, man gesteht mir wenigstens zwei Nächte in Folge in einem warmen Bett zu, das nicht gleichzeitig schaukelt!
»Sachte jetzt!«, rief der Bootsführer der Barkasse. »Ruder einholen ... und da vorne abhalten, Ahndee!«
Coris blickte auf und sah, dass unmittelbar vor ihnen ein großer, steinerner Kai aufragte. Der Gezeitenwechsel lag lange genug zurück, dass man die Hochwassermarke deutlich erkennen konnte: eine Girlande aus Seetang und Muscheln, gute anderthalb Fuß unterhalb der Kaimauer. Lautlos glitt die Barkasse längsseits einer steinernen Treppe, die bis unter die Meeresoberfläche führte. Die zwei oder drei untersten Stufen sahen ganz danach aus, als seien sie rutschig genug, um sich mühelos den Hals zu brechen. Sie waren von einem glitschigen Gemisch aus Algen, Meerwasser und Schnee bedeckt (die darunter liegenden Stufen waren von den trägen Wellen freigespült worden). Leider sahen die darüber liegenden Stufen auch nicht viel besser aus. Es hatten genug Menschen diese Stufen benutzt, um den Schnee darauf in Eis zu verwandeln. Es schien auch nicht so, als hätte jemand während der letzten Stunden daran gedacht, ein wenig Sand darüber zu streuen.
»Seien Sie vorsichtig, Mein Lord!«, warnte der Bootsführer ihn, und Coris nickte ihm bestätigend zu. Gleichzeitig holte er aus seiner Tasche eine Viertelmark, um das Trinkgeld der Barkassenmannschaft noch ein wenig aufzubessern. Wahrscheinlich hatte der Bootsführer genau das auch im Sinn gehabt. Trotzdem war Coris dem Matrosen für die Warnung dankbar.
»Und Sie sollten auch vorsichtig sein, Rhobair!«, rief der Graf über seine Schulter hinweg und setzte dann vorsichtig zum ersten Mal seit einem Monat den Fuß wieder auf festen Boden.
Der feste Boden erwies sich als recht unzuverlässig: Der Stein, auf den Coris gerade den Fuß gesetzt hatte, schien sich unter ihm wegzuducken und zur Seite auszuweichen. Angesichts dieses sonderbaren Gefühls verzog der Graf das Gesicht. Das
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