Die Eiserne Festung - 7
Hektor jetzt in die Tiefe stürzen, so würde ihn das Wasser erwarten, nicht die Deckplanken. Nicht, dass das einen großen Unterschied gemacht hätte. So kalt, wie das Wasser war, wären seine Chancen, lange genug zu überleben, bis jemand an Bord ihn herauszöge, gleich null.
Glücklicherweise hatte Hektor Aplyn-Ahrmahk nicht die Absicht, in die Tiefe zu stürzen.
»Dort, Sir«, meldete der Mann im Krähennest und streckte die Hand aus.
Hektor folgte dem ausgestreckten Zeigefinger, nickte und hakte ein Knie um die Stenge. Dann hob er mit beiden Händen das schwere Teleskop und spähte hindurch.
Etwas mit einigem Gewicht, wie etwa ein leistungsfähiges Teleskop, ruhig zu halten, vor allem wenn man währenddessen dank der Bewegung des Schiffes hin und her geschaukelt wurde, war nicht gerade einfach. Dass Hektor niemals so groß und kräftig sein würde wie etwa Lathyk, machte ihm die Aufgabe nicht gerade leichter. Andererseits verwandelte sich der schlaksig-schlanke Körper des jungen Mannes gerade. Hektor bekam drahtige Muskeln, und Erfahrung hatte er auch schon sammeln können. Also stützte er das schwere Rohr auf seinen linken Unterarm, glich mit geübten Bewegungen das Schlingern des Schiffes aus und erkannte in der Ferne die Marssegel der fremden Schiffe. Dabei hielt er sein Fernrohr so ruhig, dass eine Landratte mächtig gestaunt hätte.
Selbst von hier oben betrachtet, waren die Rümpfe der nahenden Schiffe noch nicht zu erkennen. Nur die Marssegel waren zu sehen. Wenn die Wellen allerdings sowohl die Destiny als auch die fremden Schiffe emporhievten, konnte Hektor zumindest einen Teil der Großsegel erkennen. Vorausgesetzt, ihre Masten waren etwa so hoch wie die der Destiny, was die Großrah etwa fünfzig Fuß über die Wasseroberfläche brachte, dürften die Schiffe etwa vierzehneinhalb Meilen entfernt sein.
Sorgsam und geduldig betrachtete Hektor sie, schätzte ihren Kurs ab und versuchte Hinweise zu finden, wie schnell sie wohl fuhren. Er starrte so lange durch das Fernrohr, dass ihm schon die Augen schmerzten. Er blinzelte jedoch nicht ein einziges Mal und ließ auch nicht das Fernrohr sinken, bis er mit dem, was er hatte sehen können, zufrieden war. Dann stieß er einen erleichterten Seufzer aus, hängte sich das Fernrohr wieder über die Schulter und rieb sich das Auge.
»Was halten Sie davon, Sir?«, erkundigte sich der Matrose.
Mit gehobener Augenbraue blickte Hektor den Mann im Krähennest an. Der Matrose grinste. Sicher hätte er nicht die Frechheit besessen, Lieutenant Lathyk diese Frage zu stellen. Hektor wusste, dass einige seiner Offizierskameraden (allen voran Lieutenant Garaith Symkee, der Second Lieutenant der Destiny) sofort etwas unternommen hätten, um diesem Mann seine Anmaßung auszutreiben. Wahrscheinlich hätte ein einfacher Ensign nur umso mehr Gründe, sich gegen jegliche übermäßigen Vertraulichkeiten der Männer zu verwahren, die er zu befehligen hatte. Captain Yairley hingegen, der anscheinend niemals Schwierigkeiten hatte, seine Autorität zu wahren, hätte die Frage einfach nur beantwortet. Und wenn eine solche Vorgehensweise gut genug für den Captain war ...
»Nun ja«, setzte Hektor an, »sie sind noch ein bisschen zu weit entfernt, um Einzelheiten ausmachen zu können, selbst mit dem Fernrohr. Aber wenn ich mich nicht täusche, fährt zumindest das vordere der beiden unter dem Wimpel der Kirche.«
»Was Sie nicht sagen, Sir!« Zhaksyns Grinsen wurde deutlich breiter. Er rieb sich sogar voller Vorfreude die Hände. Schließlich bedeutete ein Wimpel der Kirche unweigerlich, dass ein Schiff als rechtmäßige Prise anzusehen war, die nur darauf wartete, geentert zu werden. Hektor erwiderte das Grinsen. Dann aber verschwand das Lächeln.
»Gut, dass Sie das gesehen haben, Zhaksyn«, sagte er und tätschelte dem Älteren anerkennend die Schulter (Zhaksyn war gerade einmal Ende Zwanzig; üblicherweise wurden nur die jüngsten und gesündesten Mannschaftsmitglieder zu Toppsgasten erkoren. Daher war ihn ›älter‹ zu nennen, schon seltsam).
»Ich dank' Ihn' auch schön, Sir!« Jetzt strahlte Zhaksyn über das ganze Gesicht. Hektor nickte ihm zu. Dann streckte er erneut die Hand nach den Wanten aus. Er war ernstlich versucht, einfach an der Pardune hinunterzurutschen. Doch das Ungestüm der Jugend lag jetzt, da er Offizier war, eben hinter ihm - wie Lieutenant Lathyk erst letzten Fünftag recht nachdrücklich angemerkt hatte. Also kehrte Hektor in deutlich
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