Die Eiserne Festung - 7
höflicheres Betragen an den Tag legen können. Aber es war schon komisch: Immer dann, wenn Nahrmahn gerade etwas ansprach, was auch nur ansatzweise mit dem zu tun hatte, wovon White Crag ihn all die Jahre abhalten wollte, hat der Lordrichter ganz plötzlich etwas gefunden, was er jetzt und sofort unbedingt erledigen musste.«
»Nach meiner Rückkehr habe ich ihn dafür gehörig gescholten.« Sharleyan blickte drein, als sei es ihr ein wenig peinlich. »Er hat mir versprochen, sich beim nächsten Mal besser zu betragen. Aber um ganz ehrlich zu sein: es ist mir lieber, wenn er übermäßig misstrauisch ist, als wenn er unvorsichtig wird.«
»Oh, dagegen ist auch überhaupt nichts einzuwenden.« Nachdrücklich nickte Cayleb. »Und Nahrmahn hat das auch ganz offensichtlich verstanden. Abgesehen davon war White Crag bereit, jegliche nachrichtendienstliche Informationen an mich weiterzugeben. Also hat Nahrmahn aus zweiter Hand sowieso alles erfahren. Trotzdem ist es unbedingt erforderlich, dass unser Kaiserlicher Berater für nachrichtendienstliche Aufgaben auch persönlich auf alle Informationen zugreifen kann, die uns vorliegen. Genau das versuchen Merlin und Ahlber, der in dieser Hinsicht ein wenig ... flexibler ist, White Crag in diesem Moment klarzumachen.« Der Kaiser zuckte mit den Schultern. »Mittlerweile hält jeder in Chisholm Merlin für meinen ganz persönlichen Kurier. Und den von Sharley. Sie alle sind bereit zu akzeptieren, dass er stets für uns spricht - aber er kann manche Dinge einfach ein wenig offener aussprechen als wir, ohne dass es gleich offiziell zu Schwierigkeiten kommt. Und umgekehrt kann jeder aus demselben Grund ihm gegenüber auch offenherziger sein.«
»Ich verstehe.« Staynair schüttelte den Kopf und lachte stillvergnügt in sich hinein. »Irgendwie fällt mir die Vorstellung schwer, wie Merlin Vermittler spielt.«
»Tatsächlich?« Cayleb neigte den Kopf ein wenig zur Seite und bedachte den Erzbischof mit einem sonderbaren Blick: halb ein Lächeln, halb eine Grimasse. »Vertraut mir, manche Dinge vermittelt er auch mit ziemlich viel Nachdruck!«
»Was denn so?«, fragte Staynair eindeutig skeptisch, doch Cayleb schüttelte nur den Kopf.
»Oh nein, Maikel! Auf diese kleine Diskussion lassen wir uns nicht ein, solange nicht Merlin persönlich hier ist und seinen Teil dazu beitragen kann! Was das betrifft, ist er sogar Sharley und mir gegenüber hin und wieder ein wenig geheimniskrämerisch. Deswegen können wir genauso wenig erwarten wie Ihr zu erfahren, was er nun wirklich im Schilde führt!«
Nachdenklich blickte Staynair seinen Monarchen an. Es gab immer wieder Momente, in denen er sich ins Gedächtnis zurückrufen musste, dass Merlin Athrawes durchaus auch eigene Pläne verfolgte. Oder vielleicht wäre es besser zu sagen, Nimue Alban verfolgte ihre eigenen Pläne. Besser noch: ihre eigene Mission. Der Erzbischof hatte niemals an Merlins Treue Charis und den Leuten gegenüber gezweifelt, die seine Freunde geworden waren, sogar seine Familie. Was diese Treue jedoch ein wenig verschleierte, war, dass es ein unumstößliches, festes anderes Ziel gab. Ein Ziel, für das Nimue Alban wissentlich in den Tod gegangen war, damit neun Jahrhunderte später ihr PICA auf einem Planeten wandeln konnte, den sie selbst niemals mit eigenen Augen gesehen hatte. Es muss Augenblicke geben, ging es Staynair durch den Kopf, da Merlin feststellen muss, dass Nimues Mission mit seinen eigenen Prioritäten hier auf Safehold kollidiert. Der Erzbischof hoffte inständig, was immer Merlin Athrawes dieses Mal im Schilde führen mochte, möge nicht in diese Kategorie fallen. Doch wenn dem so wäre, das wusste er, würde Merlin sich dieser Herausforderung ebenso unerschrocken stellen wie jeder anderen auch. Staynair ertappte sich dabei, lautlos ein tief empfundenes Gebet zu sprechen, ein Gebet für die Seele des Menschen, der sich bereit erklärt hatte, eine derartige Bürde zu tragen.
»Also«, sagte er dann und streckte Cayleb sein Whiskeyglas entgegen, das, Geheimnis über Geheimnis!, schlagartig leer geworden war, »dann sollte ich wohl meine Nerven noch ein wenig stärken, bevor ich mich einer derart anstrengenden Enthüllung stelle.«
»Oh, was für ein ausgezeichnetes Argument, Maikel!«, lachte Sharleyan. »Wartet noch einen Moment! Gleich ist mein Glas auch leer, und dann schließe ich mich Euch gerne an!«
»Ihr beide solltet Euch aber nicht zu sehr stärken«, gab Cayleb ernst zu bedenken.
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