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Die Enden der Parabel

Titel: Die Enden der Parabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pynchon
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Dr. Groast senior daheim in Lancashire und übt subtile Rache für die Kindermärchen von der Hexe Grünzahn, die einst in den Sümpfen lauern sollte, um ihn zu sich herabzuziehen, "Teil eines alten und heimlichen Dramas, zu dem der Körper kaum mehr darstellt als eine beziehungsreiche und oft kaum verständliche Programmnotiz
    - fast so, als wäre dieser Leib, den wir vermessen können, nur ein Fetzen aus einem Programmheft, den wir auf der Straße vor einem grandiosen steinernen Theater aufgelesen haben, das wir nicht betreten dürfen. Die Windungen der Sprache, uns verweigert! die große Bühne, die noch dunkler ist als Tyrone Guthries gewohntes Dämmerlicht... Blattgold und Spiegel, roter Samt, endlose Logenreihen, alles im Schatten, während unten, irgendwo auf der riesigen Vorderbühne, unerreichbar für unsere Geometrien, die Stimmen von Geheimem sprechen, das wir nie erfahren ... " Alles, was aus dem ZNS raufkommt, muß hier eingeordnet werden, klar? Das wird Ihnen verdammt lästig werden mit der Zeit. Das meiste von dem Zeug ist zu nichts zu gebrauchen. Aber man kann nie wissen, wann sie irgend etwas von einem wollen. Mitten in der Nacht oder mitten im schlimmsten Ultraviolettbeschuß, für die da hinten macht das keinen Unterschied.
    - Kommen Sie eigentlich manchmal auch ... ich meine, raus auf die Äußere Ebene? (Lange Pause, während gemischte Gefühle über die Gesichtszüge der Vorarbeiterin ziehen - amüsiertes Staunen, Mitleid, Sorge. Der Lehrling ergreift wieder das Wort.) Tutut mir leid, ich wollte nicht - (Schroff) Sie müssen es sowieso erfahren, es gehört zur Einweisung.
    -Was muß ich erfahren?
    - Was auch ich einmal erfahren habe. Wir geben es weiter, eine Generation an die nächste. (Nichts, womit sie sich jetzt beschäftigen könnte, scheint ihr plausibel genug, sich dahinter zu verschanzen. Wir spüren, daß das Folgende für sie noch nicht Routine ist. Im Gefühl ihrer Verantwortung bemüht sie sich, betont ruhig, ja fast schon zärtlich zu sprechen.) Wir alle steigen auf zur Äußeren Ebene, junger Mann. Einige bald, andere nicht so rasch. Aber früher oder später muß jeder von uns hier draußen epidermal werden. Ohne Ausnahme.
    -Er muß?
    - Es tut mir leid.
    - Aber ist denn ... ich dachte, es wäre nur eine, tja, eine Ebene. Ein Ort, dem man einen Besuch abstattet. Stimmt das denn nicht... ?
    - Eine exotische Landschaft, ja, das hab ich selbst einmal geglaubtungewöhnliche Formationen, ein kurzes Blinzeln in den Äußeren Glanz. Aber die Landschaft besteht aus uns, verstehst du, Millionen von uns, in Grenzfläche verwandelt, in Hornhaut, fühllos und stumm.
    - O Gott. (Eine Pause. Er versucht, das Gehörte zu begreifen - dann stößt er es voller Entsetzen von sich:) Nein - wie können Sie so etwas sagen - spüren Sie denn die Erinnerung nicht? Das Band ... wir leben in der Fremde, aber wir haben eine Heimat! (Sein Gegenüber schweigt.) Dort unten! Nicht an der Grenzfläche oben. Unten im ZNS!
    - (Sanft) Diese Theorie haben schon viele vertreten. Gefallene Funken. Fragmente von Gefäßen, die bei der Schöpfung zerbrachen. Und irgendwie, irgendwann, bevor alles zu Ende geht, der große Zug in die Heimat. Ein Bote des Königreichs, der im letzten Augenblick kommt. Doch glaub mir, es gibt keine solche Botschaft, und es gibt keine Heimat - nur die Millionen von letzten Augenblicken ... sonst nichts. Unsere Geschichte ist eine Summe aus letzten Augenblicken.
    Sie schreitet durch das reiche Zimmer, das dicht staffiert ist mit geschmeidigem Leder, zitronenpoliertem Teak, glitzernden optischen Apparaturen, verwundenen Rauchsäulen von Räucherwerk, verblichenen Läufern aus Zentralasien in Scharlach und Gold und frei hängendem, breitgeripptem Schmiedeeisen -ein langer Gang über die ganze Bühnenbreite, bei dem sie Stück für saures Stück eine Orange verzehrt, während ihr Faille-Kleid in eleganten Wellen fließt und die raffinierten Ärmel gebauscht von breit wattierten Schultern fallen, bis sie in eng geknöpfte, hohe Manschetten münden, alles in namenlosen Erdfarbtönen, einem Heckengrün, Lehmbraun, Rosthauch, einem Atemzug des Herbstlichen ... das Licht der Straßenlaternen schimmert durch Philodendronhalme und fingrige Blätter, die im letzten
    Greifen nach dem Sonnenuntergang erstarrt sind, ein ruhiges Gelb, das über die metallenen Zierspangen auf ihrem Rist und vom Schaft hinunter an den hohen Absätzen der Lackschuhe entlangströmt, die so blank sind, daß sie ganz farblos

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