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Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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Fuß.
    Mentiris und Alwines Lagerplatz lag verlassen da, man sah jedoch noch die Stellen, wo das Gras niedergedrückt worden war – hier hatten die beiden geschlafen. Bei den Planwagen fanden sie schließlich das eigenwillige Gespann, und selbst jetzt kämpfte Mentiri offensichtlich weiter. Er und Alwine hatten alle Pferde vor das vordere Gefährt gebunden. Sie versuchten, die Tiere dazu zu bewegen, den Wagen aus dem matschigen Untergrund zu ziehen, sie trieben sie an mit Rufen und einer Gerte, mit der Alwine mehrmals fest zuschlug, ein widerliches Geräusch, das die Ruhe zerschnitt. Die Tiere schnaubten ab und zu, leise und abgekämpft. Mentiris Gesicht war leuchtend rot, schweißbedeckt, von tiefen Furchen wie zerrissen. Er sah aus, als könne er jeden Moment in Ohnmacht fallen.
    Erst als er Bernina erblickte, löste sich die Spannung auf seiner Miene, fiel die Anstrengung ein wenig von ihm ab. Wo er gerade war, setzte er sich einfach in den Schmutz der Erde. »Meine liebe Bernina«, keuchte er, »sehen Sie es mir nach, dass ich ausnahmsweise unhöflich sein muss und Sie und Ihre Begleiter nicht in allen Ehren empfangen kann.«
    Alwine lehnte sich an eines der Pferde und rief: »Wir schaffen es nicht! Die Wagen bewegen sich nicht, keinen Fingerbreit.«
    Nils Norby stieg aus dem Sattel, an dessen hinteres Ende er einen Spaten gebunden hatte. »Das wollen wir mal sehen«, meinte er lediglich.
    Dank seiner tatkräftigen Unterstützung und der Hermann Lottingers dauerte es nicht lange, bis die Planwagen einsatzbereit waren und die vier Zugpferde wieder auf beide Gefährte verteilt werden konnten. Nach einer kurzen Pause, während der Nils Ferdinand und die Tiere geholt hatte, brachen sie schließlich auf: Nils, Bernina und Mentiri auf dem ersten, Alwine und Lottinger auf dem folgenden Wagen, an den man die Reitpferde geleint hatte. Nur Ferdinand bestritt weiterhin den Weg im Sattel, wie gewöhnlich auf seinem Esel. Am späten Nachmittag erreichten sie eine Hochebene, auf der sie den Tieren eine erste Rast gönnten. Bis zum Kloster St. Peter wartete noch eine beschwerliche Strecke auf sie.
     
    *
     
    In der vergangenen Nacht war kaum Zeit für Schlaf geblieben. Erst gegen Morgen hatte er eine Weile ruhen können, eingewickelt in seinen dunklen, immer zerschlisseneren Mantel und eine Decke. Obwohl er den Eindruck hatte, nur gedöst zu haben, waren Träume über ihn hergefallen, wirre Träume von Elisabeth und Hermine, seiner Frau und seiner Tochter. Sie standen vor ihm, Elisabeth rief ihm etwas zu, doch er war wie taub, um ihn herum herrschte eine dumpfe Todesstille. Elisabeth wurde verzweifelter, Tränen liefen ihre Wangen hinab, auch Hermine weinte, immer angestrengter weiteten sich Elisabeths Lippen zu immer lauteren Schreien, und er konnte sie weder verstehen noch zu ihr gehen, ein sonderbar starres Bild, das sich erst auflöste, als er die Augen aufriss, verwirrt blinzelte, ziellos um sich blickte.
    Normalerweise neigte Paul Holzapfel nicht zu Träumen, doch die Gesichter seiner kleinen Familie verfolgten ihn den Tag über, so wie er diesem Tross auf den Fersen war, der sich weiterhin beharrlich durch den Schwarzwald schob, ein kurzer, kräftiger Wurm, der über Berge hinweg und zwischen schroffen Felsen hindurchkroch.
    Das Gelände verlangte Pferden und Reitern einiges ab. Es war gar nicht mehr so weit zu dem Kloster, das sich inzwischen als einzig denkbarer Zielpunkt herauskristallisiert hatte.
    Der Ritt zu Lorathot, den er auf sich genommen hatte, um angesichts der neuen Erkenntnis von Angesicht zu Angesicht Bericht zu erstatten, hatte Paul Holzapfel einiges an Kraft gekostet. Inzwischen fühlte er sich jedoch, trotz des wenigen und dazu noch schlechten Schlafes, recht gut erholt. Wie gewöhnlich ließ er sich von den Mauern aus dunklen Bäumen schlucken, von Strauchwerk und wild wucherndem Heckengestrüpp.
    Einmal überholte er den Tross des Kurfürsten, um den vorausliegenden Weg auszukundschaften und sich mit der Landschaft vertraut zu machen. Anschließend ließ er sich wieder zurückfallen, beobachtete in aller Ruhe, wie die Soldaten und die Kutsche eines seiner wie üblich gut gewählten Verstecke im Abstand von nur zwei Steinwürfen passierten.
    Zur gleichen Zeit erregte etwas anderes seine Aufmerksamkeit, wesentlich weiter entfernt, in südlicher Richtung. Auf einem Höhenzug, der sich aus einem Waldkranz emporwölbte, frei und gut sichtbar, zeigte sich eine Gruppe von Reisenden. Er erkannte einen

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