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Die Erben der Schwarzen Flagge

Die Erben der Schwarzen Flagge

Titel: Die Erben der Schwarzen Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Süden überragte, thronte eine trutzige, von steilen Mauern umgebene Festung, aus deren Zinnen Kanonenmündungenstarrten und über der die Banner Spaniens und Neugrenadas wehten. Dies war die Festung Maracaibo, ein düsteres Bauwerk, das als uneinnehmbar galt und dessen Kerker von den Schreien der Gefolterten widerhallten. Herr der Festung war Graf Carlos de Navarro, der vom spanischen Vizekönig eingesetzte Verwalter Maracaibos.
    Navarros Name war weithin gefürchtet. Mit eiserner Hand verwaltete er seine Stadt; dass es einen Vizekönig gab, der Neugrenada von Cartagena aus regierte, scherte ihn nicht. In Maracaibo, der zweitreichsten Stadt der Kolonie, war er der uneingeschränkte Herrscher, der das Heer seiner Sklaven ruchlos ausbeutete und den Nick in all den Jahren hassen gelernt hatte wie niemanden sonst. Hoch oben im Palast betteten Navarro und die Seinen sich auf seidene Kissen, während Nick und seinesgleichen wie Schweine im Schlamm dahinvegetieren mussten; ließen sich Wildbret und Braten auftischen, während die Sklaven Maden aßen.
    An jedem Tag, an dem Nick zur Festung blickte, schwor er sich, dass er nicht immer ein Sklave bleiben würde. Fern am Horizont, wo die See den Himmel berührte, war Freiheit, und die Vorstellung, die Sklavenketten eines Tages abzuschütteln, nährte seine Hoffnung – auch wenn er wusste, dass sie trügerisch war.
    Unter den Sklaven von Maracaibo gab es ein geflügeltes Wort, demzufolge der einzige Weg aus der Gefangenschaft mit den Füßen voraus angetreten wurde. Die Hitze setzte den Sklaven zu, von der schweren Arbeit und den elenden Verhältnissen im Lager ganz zu schweigen. Und wen Skorbut und Ruhr nicht dahinrafften, dessen einzige Aussicht bestand darin, wieder und wieder den beschwerlichen Weg über die Berge anzutreten, so lange, bis er eines Tages den Halt verlor und in die Tiefe stürzte oder unter den Peitschenhieben der Aufseher zugrunde ging.
    In den vergangenen zwölf Jahren hatte Nick unzähligeKameraden sterben sehen. Wenn Ketten sich um die Fußgelenke wanden und man von Peitschenhieben getrieben wurde, spielte es keine Rolle, ob man Silber auf seinem Rücken trug oder wertloses Blei – es war ein sinnloses Leben und ein noch sinnloserer Tod. Dennoch hatte Nick die Hoffnung nie aufgegeben. Eine Stimme tief in seinem Inneren sagte ihm, dass es nicht sein Schicksal war, als Sklave zu enden. Eine Stimme, die möglicherweise denselben Ursprung hatte wie der Traum, der ihn verfolgte …
    »Hast du’s noch immer nicht aufgegeben?«, flüsterte Jim, der in der Kolonne vor Nick marschierte, über die Schulter zurück.
    »Was meinst du?«
    »Du weißt genau, was ich meine. Dein Blick zum Horizont. Du hast den Traum von der Freiheit noch immer nicht aufgegeben, oder?«
    »Nein, und das werde ich auch nicht.«
    »Was für ein sturer weißer Mann du bist. Hast du nicht begriffen, dass es von hier kein Entkommen gibt? Dass wir hier festsitzen für den Rest unserer Tage?«
    Nick wollte etwas erwidern, als er einen scharfen Knall hörte. Fast gleichzeitig spürte er den brennenden Schmerz an seiner nackten Schulter.
    »Du da!«, scholl es von oben herab. »Für wen hältst du dich? Halt gefälligst das Maul und spar dir deine Puste für die Arbeit, hast du verstanden?«
    Nick widersprach nicht. Demütig senkte er den Kopf, vermied es, den Aufseher anzublicken, und setzte nur einen Fuß vor den anderen.
    Wieder und wieder.
    Es war das Gesetz des Überlebens.»Wirst du wohl laufen? Nicht so langsam!«
    Erneut riss die plärrende Stimme eines Sklaventreibers Nick aus seinen Gedanken. Inzwischen war es später Nachmittag; die Sklaven hatten ihre Silberladung abgeholt und befanden sich auf dem Rückweg. Und wie an jedem Nachmittag waren die Männer müde, und ihre Beine wollten ihnen kaum noch gehorchen.
    »Verdammt, hörst du nicht, was ich sage? Sohn einer Hündin, bewege dich gefälligst!«
    Eine Peitsche knallte, und erst jetzt bemerkte Nick, dass der derbe Zuruf und der Peitschenhieb nicht ihm gegolten hatten, sondern seinem Vater, der in der Kolonne hinter ihm marschierte. Der alte Angus war langsamer geworden und hatte den Anschluss verloren – in den Augen der Aufseher ein geradezu todeswürdiges Verbrechen.
    »Willst du wohl laufen, elender Hund?« Der Sklaventreiber knurrte wie ein Raubtier. Daraufhin biss der alte Angus die Zähne zusammen und beschleunigte seinen Schritt, um wieder zu Nick aufzuschließen, der sich seinerseits ein wenig zurückfallen ließ, um

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