Die falsche Frau
der Welt nachweisen kann. Sie haben
keine Vorstellung, wie viele Verdächtige während eines netten Gesprächs mit mir
schon vor Müdigkeit vom Stuhl gekippt sind und sich irgendwo den Kopf gestoÃen
haben. Es gibt so viele dumme Sachen, die einem passieren können, wenn man so
müde ist und so unkonzentriert, wie Sie es bald sein werden.«
»Fuck, fuck, fuck!« Er wand sich, trommelte wieder auf den Tisch.
»Das ist ja noch viel ätzender, als ⦠Das ist ja â¦Â«
»Das ist erst der Anfang.«
Abrupt hörte er auf mit der Trommelei. Seine Unterlippe war jetzt
weià vor Wut.
»Sie sind ja jetzt schon fertig mit den Nerven«, fuhr ich gemütlich
fort. »Diese Phase kommt bei Burschen, die ein bisschen mehr Mumm in den
Knochen haben, frühestens nach der ersten Nacht.«
Plötzlich begann die Fassade des harten Kerls zu bröckeln. Unmerklich
erst, bald schon deutlich erkennbar. Seine Hände wurden unruhig, sein Blick
unstet, der rechte Mundwinkel nervös. Als ich schon dachte, ich hätte gewonnen,
begann er, die Tischkante zu betrachten, und sagte: »Ab sofort hörst du keinen
Ton mehr von mir, Bullenarsch. Ende der Durchsage.«
Ich blätterte in der abgegriffenen Akte, die vor mir lag. Geboren
und aufgewachsen war Adrian Horstkotte in Mönchengladbach. Der Vater hatte die
Familie sitzen lassen, als sein Sohn drei Jahre alt war, und nur unregelmäÃig
Unterhalt bezahlt. So hatte die Mutter ihr Kind über weite Strecken allein
durchbringen müssen. Immerhin hatte der kleine Adrian es aufs Gymnasium geschafft
und mehr schlecht als recht Abitur gemacht. AnschlieÃend hatte er seinen
Zivildienst in einem Heim für Schwerstbehinderte in Marburg abgeleistet und
dort später ein Studium begonnen mit einer Fächerkombination, die ihm von
vornherein jede Chance auf eine spätere Karriere verbaute. Ein wenig
Politikwissenschaften, ein wenig Geschichte, ein wenig Kunstgeschichte, ein
wenig von allem.
Nach dem dritten Semester hatte er aus unbekannten Gründen die
Universität gewechselt und war in Heidelberg aufgetaucht. Zwei Jahre später
hatte er das Studieren endgültig aufgegeben und eine Lehre als
Kfz-Mechatroniker begonnen, die er schon nach zwei Monaten wieder abbrach.
Wovon er sich seither ernährte, war nicht dokumentiert. Schon in Marburg hatte
es Anzeigen gegeben wegen kleinerer Delikte, bei denen meist Alkohol und andere
Drogen im Spiel waren.
Zweimal war er rechtskräftig verurteilt worden. Einmal noch in
Marburg wegen schwerer Körperverletzung im Rahmen einer wüsten
Kneipenschlägerei, in deren Verlauf er drei Männer krankenhausreif geschlagen
hatte. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Beim zweiten Prozess, jetzt
schon in Heidelberg, ging es um einen völlig dilettantisch durchgeführten
Ãberfall auf eine Tankstelle, der ihm eine Beute von siebenunddreiÃig Euro
sowie eine weitere Bewährungsstrafe einbrachte. Irgendwann hatte Horstkotte die
Musik für sich entdeckt, und diesen Teil der Geschichte kannte ich im Wesentlichen
schon.
»Okay«, sagte ich und klappte die Akte zu. »Dann rede erst mal ich.
Wir haben Hinweise darauf, dass Peter von Arnstedt â den Sie ja dummerweise
nicht kennen â einen terroristischen Anschlag geplant hat. Und ich habe den
starken Verdacht, dass Sie da irgendwie mit drinstecken. Und Ihr Kumpel Jakoby
auch.«
Horstkotte rollte die Augen, als hätte er diese Gerüchte schon
tausend Mal gehört.
»Von Arnstedt ist tot. Ich habe Beweise dafür, dass jemand dabei
nachgeholfen hat. Vielleicht Sie?«
Sein Achselzucken geriet nicht ganz so souverän, wie er vermutlich
beabsichtigt hatte. Vom Tod seines Bekannten oder vielleicht sogar Freundes
schien er bisher nichts gewusst zu haben. Er öffnete den Mund. Schloss ihn
wieder. Schnaubte.
»Ihr Schweine habt Jonas gekillt â¦Â«
Seine Zähne waren kräftig und schlecht gepflegt.
»Jakoby ist nicht tot.«
»Der Jo, der war doch â¦Â«
Da war plötzlich ein neuer Tonfall.
»Was war er?«, fragte ich sanft.
»So was von harmlos«, flüsterte Horstkotte heiser. »Jo hat keiner
Fliege ⦠Das ist doch ⦠Wahnsinn ist das!«
»Immerhin hat er gestern auf einen meiner Mitarbeiter geschossen und
heute Morgen schon zum zweiten Mal versucht, sich der Festnahme zu entziehen.«
Dass dieser Schuss aus einem
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