Die Farben der Zeit
Außerdem ist es mit Humor immer eine gewagte Sache.
Miss Brown hatte den letzten Grabstein erreicht und schaute mich erwartungsvoll an.
Das Wetter. Aber wie sollte ich sie anreden? Miss Brown? Miss Verity? Mylady?
»Nun«, sagte sie ungeduldig. »Haben Sie sie zurückgebracht? Geht’s ihr gut?«
Diesen Gesprächsbeginn hatte ich nicht erwartet. »Wie bitte?« fragte ich.
»Baine hat Sie nicht gesehen, oder?« fragte sie. »Wo haben Sie sie gelassen?«
»Ich fürchte, Sie verwechseln mich mit jemandem…«
»Schon gut«, sagte sie und schaute zur Kirche hinüber. »Sie können uns nicht hören. Sagen Sie mir genau, was passiert ist, nachdem Sie sie durchs Netz gebracht haben.«
Ich mußte einen Rückfall erlitten haben. Das alles ergab keinen Sinn.
»Sie haben sie doch nicht ersäuft?« fragte sie ärgerlich. »Er versprach mir, sie nicht zu ersäufen.«
»Wen nicht ersäufen?«
»Die Katze.«
Es war noch schlimmer als das Gespräch mit der Krankenschwester. »Die Katze? Sie meinen, Tossie -Miss Merings verlorengegangene Katze? Prinzessin Arjumand?«
»Natürlich meine ich Prinzessin Arjumand.« Sie runzelte die Stirn. »Hat Dunworthy sie Ihnen nicht mitgegeben?«
»Dunworthy?« Ich starrte sie an.
»Ja. Hat er Ihnen die Katze nicht mitgegeben?«
Langsam begann es mir zu dämmern. »Sie sind die Naiade aus Dunworthys Büro«, stellte ich verwundert fest. »Aber das kann nicht sein. Sie hieß Kindle.«
»Ich heiße Kindle. Miss Brown ist mein Deckname. Die Merings haben keine Verwandten mit Namen Kindle, und man hält mich hier für eine Cousine zweiten Grades von Tossie.«
Es dämmerte immer mehr. »Sie sind der Unglücksfall«, sagte ich. »Der irgend etwas mit durch das Netz zurückbrachte.«
»Die Katze«, erwiderte sie ungeduldig.
Eine Katze. Natürlich. Das ergab mehr Sinn als Glatze oder Matratze. Und es erklärte den eigentümlichen Blick, den Dunworthy mir zugeworfen hatte, als ich das Plätzchen erwähnte. »Sie haben eine Katze mit durchs Netz gebracht«, sagte ich. »Aber das ist unmöglich. Man kann nichts durch das Netz mit in die Zukunft bringen.«
Jetzt war sie diejenige, die starrte. »Sie wissen nichts von der Katze? Aber ich dachte, man würde Sie mit der Katze zu mir schicken.« Ich fragte mich unbehaglich, ob sie das vielleicht vorgehabt hatten. Finch hatte mir gesagt, ich sollte warten, als ich drüben am Netz stand. Wollte er da die Katze holen, und war ich gesprungen, bevor er sie mir übergeben konnte?
»Sagte man Ihnen, daß man mich mit der Katze zurückschicken wollte?« fragte ich.
Sie schüttelte den Kopf. »Dunworthy weigerte sich, mir überhaupt etwas zu sagen. Er meinte, ich hätte bereits genügend Wirbel verursacht, und er wollte nicht, daß ich mich noch weiter einmischte. Ich nahm es einfach an, weil ich Sie in Dunworthys Büro gesehen hatte.«
»Ich war dort, um mit Dunworthy über meine Zeitkrankheit zu sprechen«, sagte ich. »Man hatte mir zwei Wochen strenge Bettruhe verordnet, und deshalb hat Dunworthy mich hierhergeschickt.«
»Ins victorianische Zeitalter?« Sie schaute belustigt.
Ich nickte. »Ich konnte nicht in Oxford bleiben, denn Lady Schrapnell…«
Sie schaute noch belustigter. »Er hat Sie hierhergeschickt, damit Sie aus Lady Schrapnells Reichweite sind?«
»Ja«, erwiderte ich alarmiert. »Sie ist doch nicht etwa hier?«
»Nicht direkt«, sagte sie. »Wenn Sie schon die Katze nicht dabei haben, wissen Sie wenigstens, wen sie damit zurückschicken werden?«
»Nein«, sagte ich und versuchte, mich an die Unterhaltung im Laboratorium zu erinnern. »Nehmen Sie Verbindung auf mit…« hatte Dunworthy gesagt. Andrews? Jetzt entsann ich mich. »Nehmen Sie mit Andrews Verbindung auf«, hatte Dunworthy gesagt.
»Sie sagten, sie wollten mit Andrews Verbindung aufnehmen.«
»Und was sonst noch? Sagte man, wann sie ihn schicken wollen? Und ob der Sprung klappte?«
»Nein«, sagte ich. »Aber ich döste ein paar Mal ein. Wegen der Zeitkrankheit.«
»Wann genau hörten Sie von Andrews?«
»Heute morgen, während ich auf meinen Sprung wartete.«
»Wann kamen Sie durch?«
»Heute morgen. Um zehn Uhr.«
»Das erklärt einiges«, sagte sie erleichtert. »Ich war in großer Sorge, als ich zurückkam und Prinzessin Arjumand nicht vorfand. Ich befürchtete, irgend etwas sei schiefgegangen, und es hätte nicht geklappt, sie durch das Netz zurückzuschicken, oder Baine hätte sie gefunden und erneut versucht, zu ersäufen. Und als Mrs. Mering darauf
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