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Die fernen Tage der Liebe

Die fernen Tage der Liebe

Titel: Die fernen Tage der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James King
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sie gerade vom Parkplatz fuhr, klingelte ihr Mobiltelefon.

22
    Marcy hatte zwar versprochen, Nick beim Fahren Gesellschaft zu leisten, sich dann aber letzten Endes doch ihrer Erschöpfung
     hingegeben. Sie atmete tief und regelmäßig. Hier und da vernahm Nick einen leisen Ton, es hörte sich an wie ein hohes Jaulen.
     Träumte sie von April? War es ein Erleichterungsseufzer? Oder ein Abwehrlaut? Nick hielt nicht viel vom Wetten, aber in diesem
     Moment, als der Verkehr auf der Interstate 80 sich schon vor Sonnenaufgang staute und Meile um Meile an einer endlosen Baustelle
     vorbeikroch, hätte er sein Geld wohl auf Letzteres gesetzt. Er hatte sich nie für einen Pessimisten gehalten, aber da es Marcy
     verständlicherweise nicht geschafft hatte, ihr Versprechen einzuhalten, war er nun auf sich allein gestellt bei dem – bislang
     erfolglosen – Versuch, die selbstzerfleischenden Gedanken loszuwerden, die mit jedem Lichtkegel der in entgegengesetzter Richtung
     vorbeirauschenden Fahrzeuge auf ihn eindrangen. Eine Weile kam es ihm so vor, als würde jedes dieser Lichter Peggy mit ihrer
     Migräne und ihrem samtenen schwarzen Kleid aufleuchten lassen.
    Stand Marcy jetzt etwas Ähnliches bevor? Ihnen allen? Die Vorstellung einer weiteren Niederlage – diesmal verabreicht von
     ihrem Vater – machte ihn so unruhig, dass er inzwischen ernsthaft mit dem Gedanken spielte, in Chicago ein Flugzeug zu chartern,
     damit sie nur ja rechtzeitig im Arnolds Park ankamen und dieser alte Mistkerl nicht die Gelegenheit hatte, Marcy so an derNase herumzuführen, wie Peggy Gallagher es mit ihm gemacht hatte.
    Er hatte geglaubt, Frauen würden einen Gentleman bevorzugen. Einen netten Kerl, der sie nicht unter Druck setzte. Was war
     er nur für ein Narr gewesen! Wie weh würde es wohl tun, wenn er gegen den nächstbesten Brückenpfeiler fuhr?
    Vielleicht hatte Mike genau das Richtige getan, indem er sich möglichst rar gemacht hatte. Jeder musste für sich selbst herausfinden,
     wie er mit einer Sache klar kam. Aber Mikes Entscheidung, seinen Vater konsequent zu meiden, hatte offenbar gleichzeitig bedeutet,
     dass er sich auch vom Rest der Familie abschotten musste, eine Lösung, die Nick nie richtig verstanden hatte. Deshalb hatte
     er jetzt auch seine Zweifel an den Versprechungen seines Bruders, er würde sich in diesem Freizeitpark einfinden und sich
     mit allen anderen dort treffen – einschließlich des Alten.
    Wenn ihr alter Herr sie jedenfalls noch einmal auf den Arm nahm, würde Nick auf der Stelle die Polizei rufen. An den Arnolds
     Park selbst, den sie damals während ihres Familienurlaubs besucht hatten, hatte er keine besondere Erinnerung mehr, dafür
     waren sie nur viel zu kurz dort gewesen. In der Nähe gab es einen See mit einem Bootssteg, gegen dessen Pflöcke das Wasser
     damals Nicks Kotze geschwemmt hatte. Die tödliche Kombination von Zuckerwatte und dem Kirmesrotor hatte dazu geführt, dass
     er zu dem Steg gerannt und sich ein zweites Mal übergeben hatte – das erste Mal war es ihm zu seiner eigenen Bestürzung sogar
     schon im Rotor selbst passiert. Nick konnte sich noch sehr gut daran erinnern, wie er nach unten geschaut und der Boden unter
     ihm sich abgesenkt hatte, die gelbe Linie, die noch ein paar Sekunden zuvor seine Zehen berührt hatte. Ihm wurde schwindelig,
     und er wünschte sich inständig, das Drehenwürde aufhören, da erscholl auch schon ein kollektives Aufstöhnen. Dank der Rotation hatte sich Nicks Erbrochenes auf eine
     großzügige Fläche verteilt.
    Als sie wieder die Rampe hinunterstiegen, warf ihm der Aufseher einen giftigen Blick zu. Mike verpasste dem Burschen einen
     unerwarteten Schlag, packte Nick an der Hand, und beide rannten sie durch die Menschenmenge auf den See zu. Genau danach passierte
     denn Marcy irgendwas auf der Achterbahn, und sie mussten noch extra ins Krankenhaus fahren, wo die Sache aber, wie sich dann
     herausstellte, mit einem Pflaster und einem Eisbeutel erledigt war. Aber an das Wieso und Warum konnte Nick sich nicht mehr
     erinnern. Dass ihr Vater seine Tochter ausgerechnet an einen Ort bestellte, der für sie mit einem ihrer traumatischsten Erlebnisse
     behaftet war, fand Nick ebenso typisch wie abstoßend.
    Warum hatte er sie nicht irgendwo zusammengerufen, wo er alles richtig gemacht hatte? Als ihr Vater zum Beispiel in diesem
     einen Sommer nur mit ihm und Mike nach Presque Isle in Pennsylvania zum Campen gefahren war. Marcy war noch zu jung gewesen,
    

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