Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)
Porphyr, Serpentin und orientalischen Steinen geworden waren. Zu dieser kanonischen Stunde, der neunten, war die Kirche leer. Alvisebog nach links und ging zwischen zwei Säulen auf die Bronzetür zu, die in die St.-Isidor-Kapelle führte. Er trat in das Halbdunkel.
Angelo Riccio wartete dort auf ihn, in dieser geschützten, geweihten Nische mit den Überresten des Heiligen, und er hatte zum Dank schon fünf Rosenkränze gebetet, als Mocenigo, neben ihm niederkniend, das Holz der Bank zum Knarren brachte.
» Dominus vobiscum «, flüsterte der Frate, den Blick weiter auf das Votivlicht geheftet, das auf dem Altar brannte und die Kapelle mit einem aschfarbenen Licht erfüllte.
» Et cum spiritu tuo «, erwiderte Mocenigo, ebenfalls flüsternd. »Ihr wolltet mich sprechen?«, fragte er, die Hände gefaltet und die Augen zum segnenden Christus erhoben.
»Messer Procuratore, die Hand des Herrn hat die Wut des Teufels gebändigt und mich am Leben erhalten, damit ich Euch berichten kann …« Riccio begann schnell zu sprechen, sein Redefluss schien dem Rhythmus der kleinen Wellen zu folgen, die am Morgen, bevor der Wind auffrischt, an die Strände des Lido schlagen. »Das Böse ist ins Kloster von San Giacomo auf der Giudecca eingedrungen.«
Der Prokurator und Savio für Ketzerei ließ vom tröstlichen Anblick des Christus ab und warf einen eiskalten Blick auf den Frate.
»Ja, Eccellenza«, beeilte sich Riccio zu versichern. »Vorgestern bin ich, wie Ihr so weise empfohlen hattet, in später Nacht zum Kloster gefahren, um dieser von so vielen Unglücken heimgesuchten Gemeinschaft das Sakrament der heiligen Beichte zu bringen …«
»Über die Fakten bin ich unterrichtet«, unterbrach ihn Mocenigo säuerlich. »Sagt mir, was Ihr wollt.«
Der Frate zögerte, einen Augenblick verspürte er Hass auf diesen Mann, den er schon in Padua zu verabscheuen gelernt hatte, als er dort Statthalter war.
»Hochverehrter Messere«, hub er dann leise an, »bei allem gebotenen Respekt, ich glaube, der Weg, den wir verfolgen, führt zu nichts. Marin und seine Chiffreure werden schier verrückt über der Suche nach dem Schlüssel für Tomeis Botschaft, der Gefangene ist aus hartem Holz und wird niemals sprechen, und ich erlaube mir, zu bemerken, dass ich mich in einer grässlich widernatürlichen Situation aufreibe und mein Seelenheil gefährde.«
»Dafür werdet Ihr großzügig bezahlt.«
»Verzeiht, aber Geld ist nicht alles. Und für alles gibt es eine Grenze.«
»Wollt Ihr etwa aufgeben?«
»Um Himmel willen, nein. Das ist nicht meine Art.«
»Also dann?«
»Ich möchte die Spielregeln ändern …«, sagte Riccio und ließ seine Worte in der Stille verklingen. Alvise Mocenigo musterte ihn aufmerksam, er versuchte die Fortsetzung zu erraten.
»Ich verstehe«, sagte er, »Formento hat es mir schon gesagt: Ihr schlagt vor, Tomeis Haft in eine Umquartierung in loco carceris z u verwandeln.«
Das Gesicht des Mönchs hellte sich auf: »Genau!«
»Unsinn!«, ließ der andere ihn erstarren.
Riccio zögerte, atmete tief ein und fuhr mit Nachdruck fort: »Messer Procuratore, überlegt einmal. In den Pozzi eingeschlossen, kann der Florentiner mit niemandem Kontakt aufnehmen. Lockern wir die Überwachung, lassen wir ihm Bewegungsfreiheit! Wir haben die besten Sbirren, die besten Spione. Mit denen umgeben wir ihn und warten ab.«
»Der Mann ist gerissen. Er wird uns entwischen.«
»Nicht, wenn wir ihn auf eine Insel im äußeren Bezirk verbannen. Denkt an unser übliches Verfahren mit den türkischen Diplomaten.«
Mocenigo schien den Vorschlag in Betracht zu ziehen, und Riccio glaubte schon, er habe dessen Panzer aus Misstrauen durchbrochen.
»Ein zu großes Wagnis! Florenz ist nicht Konstantinopel, es liegt zu nah und kann leicht eine Flucht für Tomei organisieren. Alle werden uns auslachen, die Medici als Erste!«
Der Mönch schloss die Augen, und sein Gesicht nahm einen Ausdruck tiefsten Bedauerns an. »Dann werde ich Euch klar und deutlich sagen, was ich denke«, fuhr er entschieden fort. »In aller Aufrichtigkeit, ich glaube nicht, dass Filippo Tomei etwas mit der Explosion des Arsenale zu tun hat.
»Was tut Ihr jetzt? Ihr verteidigt ihn?«
»Nein, ich versuche nur, die Logik zu gebrauchen … und ich denke an die politischen Folgen dieser Geschichte.«
»Erklärt, was Ihr meint«, forderte der Prokurator von San Marco ihn auf.
Der Frate, der die Gefahr liebte, beschloss, dass der Moment gekommen war, sich
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