Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)
eine gewisse dialektische Freiheit herauszunehmen. »Eccellenza«, begann er, »gewiss kann ein bescheidener Mönch wie ich einem hervorragenden Politiker nicht erklären, was er selbst schon weiß. Von Karl V. wurdet Ihr zum Ritter geschlagen, Seine Heiligkeit Pius IV. hat Euch die Ehre erwiesen, Euch in der Sala Regia im Vatikan zu empfangen, wie die Großen dieser Welt …« Riccio machte eine Pause, um die Wirkung seiner Worte zu überprüfen.
»Ihr seid ein Schurke, Fra Angelo«, lächelte Mocenigo ihn an, »ein sympathischer Schurke wie alle Paduaner. Macht weiter und übertreibt nicht.«
»Ich bitte um Vergebung.« Riccio neigte den Kopf, eine Reue heuchelnd, die er nicht empfand, während sein Herz in Aufruhr geriet und er vor Stolz glühte wie ein Bärendompteur, dem das Tier als Zeichen der Dankbarkeit das Gesicht ableckt.
»Francesco de’ Medici würde sich niemals so stark exponieren, wie er es jetzt tut, um so hartnäckig die Freilassung eines seiner Untertanen zu fordern, der im Verdacht steht, mit den Türken zu konspirieren.«
»Gewiss doch!«, unterbrach Mocenigo ihn ironisch. »DieMedici sind wie die Borgia: Sie würden ihre Seele dem Teufel übergeben, nur um den Untergang der Serenissima zu erleben!«
»Nicht in diesen Zeiten. Seine Heiligkeit Pius IV. würde das niemals zulassen.«
Der Satz, in die Stille gesprochen, wie ein Tropfen flüssiges Blei ins Wasser fällt, war die Synthese einer realen Situation aus hochgeheimen Bündnissen, an denen Mocenigo seit mindestens sechs Jahren arbeitete. Er beschloss, dem Frate auf den Zahn zu fühlen. »Was hat der Papst damit zu tun?«, provozierte er ihn.
Der Mönch hätte fast gelacht, aber er hielt sich zurück, denn ein wildes Tier reizt man einmal, nicht zweimal.
»Eccellenza, Ihr seid Botschafter am Heiligen Stuhl gewesen, und am achten Oktober vierundsechzig hat das laizistische Venedig dank Eurer subtilen politischen und diplomatischen Kunst als erste der großen Mächte das kanonische Regelwerk des Konzils von Trient unterzeichnet. Man sagt, dass Seine Heiligkeit Pius IV. vor Freude geweint hat, als er die Nachricht erhielt. Es ist allein Euer Verdienst, dass das geschehen ist und die Serenissima heute in Rom den Palazzo San Marco besitzt, dieses herrliche Juwel.«
»Ihr schmeichelt mir. Was könnte ein erbärmlicher Sterblicher wie ich in so großen Fragen schon ausrichten …«, wehrte der Prokurator ab.
»Aber genau das ist es, was Ihr getan habt, ich sagte es Euch doch: Ihr habt diese Stadt in den Schoß der Kirche zurückgeführt!«, rief der Frate aus. Alvises Augen begannen zu leuchten. Im Vorgeschmack des Sieges ließ Riccio sich auf die Knie fallen, faltete die Hände und seine Worte wurden zu einem inbrünstigen Gebet: »Und nur gemeinsam mit der Heiligen Mutter Kirche finden wir die Kraft, das Schiff unseres Erlösers über die Grenzen des Meeres und der Zeit hinaus zu tragen, im Kampf gegen den Türken, den ruchlosen Feind des christlichen Namens.«
Wie von seiner Glut angesteckt, kniete nun auch Alvise Mocenigo nieder und faltete die Hände. »All das wird einen ungeheuer hohen Preis haben«, flüsterte er mit geschlossenen Augen.
Da wandte Riccio sich langsam zu ihm um. »Ihr werdet bald zum Fürsten von Venedig gewählt werden«, fuhr er in prophetischem Ton fort, »und dann wird die Heilige Allianz entstehen.« Alvise Mocenigo erwiderte gebannt seinen Blick. Ein leichter Luftzug bewegte die Flamme der Votivleuchte und ließ die Schatten in der Kapelle tanzen. »Wenn Francesco de’ Medici sich derart engagiert für die Freilassung Tomeis einsetzt, muss er einen ganz anderen, aber besonders guten Grund dafür haben«, fuhr der Frate fort. »Ich habe den Florentiner kennengelernt. Wenn er von dem bevorstehenden Attentat gewusst hätte, wäre er niemals so naiv gewesen, ganze Tage in der Celestia zu verweilen, um Madonnen und Jesuskinder zu malen und Skizzen vom Arsenale anzufertigen. Niemals! Meiner Meinung nach steckt etwas anderes dahinter: Tomei ist ein passabler Maler, aber in diesem Fall war seine Kunst nur Mittel zum Zweck, ein Vorwand, um in die Celestia zu kommen, ohne Verdacht zu erregen.«
»Ihr wollt mir jetzt doch nicht etwa weismachen, dieser Perverse habe eine Beziehung zu einer der Nonnen?«
»Nein, ganz sicher nicht, das wäre wider seine Natur.«
»Riccio, erklärt jetzt, was Ihr meint. Meine Geduld geht zu Ende.«
»Tomei war in der Celestia, weil er dort etwas suchte. Wahrscheinlich den
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