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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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mehrmonatigen Aufenthaltes in Konstantinopel perfektioniert hatte.
    »Ihr sprecht meine Sprache?«, fragte der Türke ungläubig, erhob sich, um sich sofort zu verbeugen und Andreas Hand zu ergreifen. »Ich stehe tief in Eurer Schuld.«
    Andrea zog sich zurück, als hätte ein Leprakranker ihn berührt.
    »Der Dragoman Membré hat mir gesagt, dass Ihr mich sprechen wollt. Ich bin Andrea Loredan, Gefängnisanwalt.«
    Der Türke kniete wieder.
    »So ist es, und ich danke Euch. Ich heiße Mehmet Hasan.«
    »Dann sprecht, ich höre.«
    Mehmet zögerte einen kurzen Moment, dann senkte er seine Stimme zu einem Flüstern.
    »Ich bin ein Opfer, Signor Avvocato, kein Henker. Man stellt mir Fragen, man foltert mich, aber ich habe mit dem Feuer im Arsenale nichts zu tun. Das wiederholte ich jedes Mal, aber sie glauben mir nicht. Helft mir!«
    Andrea dachte über diese Unschuldsbeteuerung nach, die er schon oft von Gefangenen gehört hatte. Er betrachteteden flehenden Alten und empfand Mitleid mit ihm. Das war menschlich, aber juristisch falsch. Das Gesetz ist Vorschrift, kein Gefühl, ermahnte er sich angestrengt.
    »Ihr seid dem Inquisitionsverfahren der Zehn unterworfen. Hat man Euch das gesagt?«
    »Ja.«
    »Hat man Euch gefoltert?«
    »Mehrmals. Ich wurde gefesselt und gefoltert.«
    Andrea behielt seine Missbilligung für sich. Die Vorschrift verbot den Strick bei Kindern, schwangeren Frauen, Wöchnerinnen und alten Menschen.
    »Ich werde Euren Fall in der Avogarìa vorbringen. Damit Euch die Folter erspart bleibt und das Urteil innerhalb von zwei Monaten erfolgt, wie es das Gesetz vorsieht. Doch vor dem Rat müsst Ihr Euch selbst verteidigen. Ich kann lediglich ein Memorandum für Euch vorbereiten, das Ihr Euch genau ansehen müsst. Mehr nicht.«
    »Das wäre schon viel«, sagte der alte Türke mit einer Verbeugung, dann lächelte er ihn an. »Ihr sagt, dass Ihr Loredan heißt, Ihr tragt den Namen des durchlauchtigsten Dogen. Seid Ihr mit ihm verwandt?«
    Andrea sah ihn an, erstaunt über die Freiheit, die der Gefangene sich herausnahm. »Ich bin sein Sohn.«
    Der Alte beugte leicht das Haupt zum Zeichen des Respekts. Mehr nicht. Dann musterte er Andrea, als überflöge er einen Text auf seinem Gesicht. »Ihr seid jung«, sagte er schließlich, zufrieden lächelnd, »und habt ehrliche Augen, wie ich gehofft hatte. Ich will Euch vertrauen.« Er drehte sich zum Strohlager um und zog ein Leinensäckchen hervor. »Ich möchte, dass Ihr mein Bürge seid«, sagte er in einem Atemzug, während er die Zipfel zurückschlug und Andrea ein ansehnliches Häufchen Golddukaten zeigte.
    Andrea warf einen Blick auf das Geld. Als er zum Sprechen ansetzte, kam Mehmet Hasan ihm zuvor: »Seid unbesorgt, das istehrliches Geld, aber an diesem verfluchten Ort kann ich es nicht bei mir behalten, das versteht Ihr, nicht wahr?« Er machte eine Pause. »Ich bitte Euch, es für mich zu verwalten.«
    Instinktiv wollte Andrea ablehnen, dann blickte er in diese Augen, und wieder siegte sein Mitgefühl. Er nahm das Geld an sich. »Was soll ich damit tun?«, fragte er.
    »Möge Gott Euch beschützen, Ser Loredan.« Mehmet Hasan machte ihm ein Zeichen, näher zu kommen. Dann begann er lebhaft auf ihn einzureden, und während seine Stimme zu einem Hauch wurde, trat ein Ausdruck grenzenlosen Staunens auf Andreas Gesicht.

46
    Auf dem Weg zum Krankenhaus Santi Pietro e Paolo war aus Andreas Staunen Verwirrung geworden, als hätte ein Windstoß ihm die nicht nummerierten Seiten eines Manuskripts durcheinandergebracht und er müsste es Seite für Seite erneut lesen, um die Ordnung wiederzufinden.
    Was ihn verstörte, waren weniger die hundertzwanzig Golddukaten, die er in einen Lappen gerollt bei sich trug, als der Name der Person, für die sie bestimmt waren: Ermonia Vivarini, Schwester von Lucia, der verstorbenen Äbtissin der Celestia.
    Die Straße, über die Andrea seit dem traurigen Tag der Explosion des Arsenale ging, hatte sich mit Zufällen gepflastert, die so schwer wogen wie Mühlsteine, aber den Ereignissen keinen zusammenhängenden Sinn verleihen konnten. Jetzt mischte sich auch noch ein alter türkischer Teppichhändler ein, der von den Zehn verdächtigt wurde, Feuer an die Pulverkammern gelegt zu haben, und erzählte, er schulde der Vivarini, Eigentümerin einer Glasbrennerei in Murano, Geld für eine Lieferung Lampenschirme, Flaschen und Inghistere.
    Als Mehmet Hasan diesen Namen ausgesprochen hatte, wareine Sturzflut von Fragen über Andrea

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