Die Feuer von Troia
von Kolchis, war bis über beide Ohren in einen hübschen jungen Mann verliebt, der nicht älter war als ihre Tochter. Und sie war vernarrt in ihn. Das hörte man, wenn sie mit ihm sprach. Außerdem aß Agon von ihrem Teller, trank aus ihrem Becher, und die Königin schob ihm alle Leckerbissen zu.
Nach dem Essen ließ Kassandra die Truhen bringen und packte die Geschenke aus, die Andromache ihrer Mutter geschickt hatte: bestickte Wandbehänge, Ballen kostbarer, gefärbter Stoffe, kunstvoll verzierte Bronzeschwerter und Messer, von denen die Königin einige, ohne nachzudenken, sofort dem jungen Mann schenkte. »Aber sag mir nicht, daß du mich verlassen und in Troia kämpfen willst«, erklärte sie streng. »Ich brauche dich hier, denn du mußt mir helfen, unsere Tochter großzuziehen. Und falls die Wahrsager sich irren und es ein Sohn wird, ist das noch wichtiger.«
»Ich würde nicht im Traum daran denken, dich zu verlassen, meine Herrin«, erwiderte Agon, »und schon gar nicht, um in einem fernen Land zu kämpfen. Wenn Agamemnon oder ein paar andere hierherkommen und versuchen würden, Kolchis zu erobern, wäre das natürlich etwas anderes.«
Imandra wandte sich an Kassandra: »Erzähl mir von diesem Krieg und der spartanischen Königin«, sagte sie. »Unsere Länder liegen zwar weit auseinander, aber natürlich weiß ich einiges über ihre Familie. Was für eine Frau kann das sein, um die ein so großer Krieg entbrannt ist?«
Kassandra erwiderte nachdenklich: »lch hatte nicht erwartet, daß ich sie mögen oder achten würde. Aber so ist es. Die Götter haben ihr etwas Schlimmes angetan, als sie es so einrichteten, daß sie meinem Bruder Paris begegnete.«
»Nun ja, sie hatte das Recht, sich einen Gefährten zu nehmen«, sagte Imandra und lächelte den jungen Agon schelmisch an. »Sie hat allerdings den Fehler begangen, Menelaos nicht fortzuschicken - oder das alte Opfer zu vollziehen! Man sollte alles so tun, wie es der alten Ordnung entspricht. Vergiß nicht, Helenas Fehler lag nicht darin, sich einen Liebhaber zu nehmen. Dieses Recht konnte ihr niemand absprechen. Ihre Mutter war die rechtmäßige Königin von Mykenai, und Helena herrschte in Sparta. Ihr Verbrechen - und für eine Königin war es wirklich ein Verbrechen - bestand darin, Sparta diesem Menelaos zu überlassen. Damit hat das ganze Durcheinander begonnen. Haben die Spartaner Helenas Tochter die Macht übergeben, damit sie dort herrscht? Ich wette, das ist nicht geschehen. Hermione ist noch zu jung, um zu wissen, daß ihr der Thron zusteht. Die achaischen Barbaren versuchen, ihre >Könige< in unserer zivilisierten Welt an die Macht zu bringen. Und dann reden sie ständig von >Vaterschaft<, als könne ein Mann Leben erschaffen. Nur die Göttin haucht den Kindern den Atem und damit das Leben ein, und doch sind diese Männer überheblich genug zu behaupten, eine Frau sei nichts anderes als ein Ofen, in dem ihr Kind - ihr Kind, hat man je einen solchen Unsinn gehört? - gebacken wird. Agamemnon - er soll bei jeder Göttin und allen Furien verflucht sein!« rief Imandra.
»Er ist der Befehlshaber der achaischen Truppen aus Mykenai«, sagte Kassandra.
»Ja. Weißt du, daß er Helenas Schwester geheiratet hat, die ihrer Mutter auf den Thron von Mykenai gefolgt ist? Klytaimnestra ist die Ältere der Zwillinge und sehr schön, wenn auch nicht so schön wie Helena. Klytaimnestra hatte eine Tochter, die sie Iphigenie nannte. Sie wurde der Schlangenmutter geweiht und war schon als Kind die Hohepriesterin und Hüterin des Tempels.
Agamemnon hatte seinem Bruder geschworen, ihn in allen Dingen zu unterstützen, und als dieser Krieg begann, mußte er Mykenai verlassen. Er fürchtete, Klytaimnestra würde sich an seiner Stelle einen anderen Gefährten wählen. Sie war zornig, weil er gewagt hatte, ohne ihre Zustimmung einen solchen Schwur zu leisten, und sie droht, nach Agamemnons Abreise ihren Vetter Aegisthos zu ihrem Liebhaber zu machen. Agamemnon drohte Klytaimnestra, Orestes, den Sohn, den sie ihm geboren hatte, wegzunehmen. Klytaimnestra erklärte daraufhin, mit dem Jungen könne er machen, was er wolle. Aber wenn er es wagen sollte, eines ihrer Kinder zu seinen unheilvollen Göttern zu bekehren, werde sie Orestes ebenso wie ihn, ihren Gefährten, verstoßen.
Daraufhin machte Agamemnon den Knaben zum Priester des Poseidon - ich glaube, es war Poseidon, der Pferdegott - und ließ ihn bei den Kentauren aufziehen. Als Agamemnon mit seinen Truppen
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