Die Feuerkämpferin 01 - Im Bann der Wächter
wenn sich Amina oft noch launisch und herrisch benahm, so wusste Adhara doch, dass unter dieser Schale eine leidende Seele verborgen war, in der sie sich selbst wiedererkannte. Nicht zuletzt deshalb kamen sie auch gut miteinander aus, gaben einander Kraft und Mut.
Außerdem gefiel es Adhara, für jemanden verantwortlich zu sein. Es erweiterte ihren Horizont, denn nun gab es nicht mehr nur ihr eigenes zerbrechliches, vergangenheitsloses Ich, sondern daneben noch einen anderen Menschen, der sie brauchte und einen Halt bei ihr fand. Und indem sie jemandem half, jemandes Anker war, half sie auch sich selbst, Frieden zu finden. Mehr und mehr begriff Adhara diesen Zusammenhang.
Und so wandelte sich die Lebensangst wegen ihrer verlorenen Vergangenheit langsam in die Freude, ein neues Leben aufzubauen.
Doch all diese Empfindungen wurden ihr erst abends bewusst, wenn sie sich endlich mit Amhal unterhalten konnte. Er war es, der ihre Erfahrungen fassbar machte, der ihr dabei half – indem er einfach zuhörte -, Klarheit in ihre Gedanken- und Gefühlswelt zu bringen.
Er seinerseits erzählte ihr von seinen Aufgaben und seinen Begegnungen mit San. Der Held der Stunde schien Gefallen an ihm gefunden zu haben.
»Er koordiniert ja die Sicherheitsmaßnahmen in der Stadt. Aber wenn er ein wenig Zeit hat, scheint es ihm Spaß zu machen, sie mit mir zu verbringen.«
»Und was treibt ihr dann so?«, fragte Adhara eines Abends, während ein frischer Wind die Stadt aus der Trägheit eines schwülen Sommertags riss.
»Wir trainieren. Fechten gegeneinander. Er ist wirklich ein fantastischer Schwertkämpfer und beherrscht Techniken, die mir ganz unbekannt waren. Ich kann eine Menge von ihm lernen. Und zudem gibt er mir ziemlich spannende Sachen zu lesen … Ja, er ist wirklich ein außergewöhnlicher Mann.«
Davon war auch Adhara überzeugt, spürte es tief in ihrer Seele. Doch dann wechselte sie das Thema und erzählte ihm von ihren Nachforschungen in der Bibliothek, die bis dahin immer noch nichts erbracht hatten.
»Vielleicht kennt die Hohepriesterin auch diese mysteriösen Erweckten«, warf Amhal ein. »Sie wird von ihren Aufgaben sehr in Anspruch genommen, und deshalb ist es schwierig, ein Treffen mit ihr zu vereinbaren. Aber schließlich ist sie auch die höchste religiöse Autorität dieses Landes.«
So unterhielten sie sich noch weiter, plauderten über dies und das, Worte ohne große Bedeutung, aber so lieblich, dass sie sanft ins Herz hinabsanken. Der Mond am Himmel folgte
seiner Bahn, bis dann die Stunde gekommen war, Abschied voneinander zu nehmen.
Amhal beugte sich vor, um das Mädchen, wie jedes Mal, auf die Stirn zu küssen.
Adhara kam ihm entgegen, aber in dieser Nacht war ihr Herz von einer besonderen Glut entflammt. Es geschah wie von selbst, dass sie sich, nur ein wenig, auf die Zehenspitzen stellte. Vielleicht war ihr nicht so recht klar, was sie da tat, doch ihr Instinkt lenkte und leitete sie auf einen vorgezeichneten Weg, dem nicht zu folgen ganz unmöglich gewesen wäre.
Weich boten sich Amhals Lippen dar, verharrten reglos einige wenige Augenblicke unter der sanften Berührung der ihren. Dann war er es, der sie öffnete, und zum ersten Mal küssten sie sich richtig. Adhara dachte an nichts, gab sich nur dieser Wärme hin, die sich von ihrem Mund über die Brust bis zu ihrem Unterleib ausbreitete, dieser Lust, die alle ihre Glieder erfasste. Und mit einem Mal verstand sie ganz und gar, was sie beide verband, was sie seit dem ersten Augenblick, als sie sich begegnet waren, untrennbar aneinandergefesselt hatte. Stark war das Verlangen nach seinem Körper, und sie schlang die Arme fest um seinen Leib, strich mit den Händen über seinen Rücken, über die Muskeln, die sich sanft unter seinem Gewand abzeichneten.
Jäh löste er sich von ihr. In seinem Blick erkannte sie ein schmachtendes Sehnen, aber auch noch etwas anderes, das sie nicht zu deuten verstand.
»Bis morgen«, verabschiedete Amhal sich hastig, floh hinaus in die Nacht und ließ sie allein am Tor zurück.
Als Adhara am nächsten Tag in Aminas Zimmer kam, war ihr Schützling ausgeflogen. Gefolgt von einer Schar aufgeregter Dienerinnern und einer kurz vor einem Nervenzusammenbruch stehenden Fea, durchkämmte sie den ganzen Palast.
Doch von Amina keine Spur, auch nicht im Park oder in ihrem Baumhaus. Endlich fanden sie die Prinzessin bei einem Springbrunnen am Rand des Parks, mit einer Angelrute in der Hand und einem Festgewand bekleidet,
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