Die Frau des Polizisten
diese Sache mit hineinziehe, setze ich Risiken aus«, flüsterte sie heiser. »Es gibt nur eine Möglichkeit, dem Ganzen ein Ende zu machen, und das ist, ihn herauszulocken, ihn einen Fehler machen zu lassen. Und Fehler macht er nur, wenn er sich vollkommen sicher fühlt.«
»Gehört Ridley Scott oder Jan de Bont vielleicht zu deinen Lieblingsregisseuren?«
Erika kicherte unfreiwillig, verschluckte sich am Wein und prustete.
»Ein bisschen zu viel Ripley und Lara Croft, meinst du das?«, sagte sie lächelnd und begegnete dem Blick aus seinen dunklen Augen. Plötzlich sehnte sie sich danach, aus ihrem Alptraum entfliehen zu können und neben Per auf der Couch zu sitzen und Filme anzugucken. Sich mit ihm über Regie, Schnitt, Dramaturgie und Beleuchtung auszutauschen. Wein und Kaffee zu trinken und sich spielerisch über lächerliche Einzelheiten in die Haare zu geraten.
Per nickte und wurde auf einmal wieder ernst.
»Ja, ein bisschen zu viel Ripley. Die Heldin, die sich allein dem Monster stellt. Ist das wirklich so schlau?«
»Ich weiß, wie er tickt«, erwiderte Erika ruhig. »Und ich weiß, wie er denkt. Ich, wenn überhaupt jemand, kenne ihn. Und ich muss das Ganze beenden.«
Sie raufte sich die Haare, fasste sie dann zusammen und machte einen vergeblichen Versuch, sie zurück aus dem Gesicht zu streichen. Per sah fasziniert zu, wie die Locken wieder ihre ursprüngliche Form annahmen und genauso eigensinnig vom Kopf abstanden wie zuvor.
»Und wer sonst sollte es tun?«, fragte sie bar jeder Ironie. Sie nippte gedankenverloren am Grappa und runzelte die Stirn. Der war wirklich gut. In ihrer Vorstellung schmeckte Grappa ähnlich wie Benzin. Sie sah Per überrascht an. Er nickte zufrieden und verfolgte, wie ihr Lächeln rasch verflog und einem gequälten Ausdruck Platz machte.
Er wollte etwas sagen, aber ihm fiel nichts ein. Er trank einen Schluck aus dem Glas und ließ den Alkohol langsam durch die Kehle rinnen.
»Wir erleben das doch mehr oder weniger jeden Tag, oder?«, begann Erika nachdenklich. »Wie Frauen darum kämpfen, sich und ihre Kinder zu retten. Wie man ihnen dazu rät, den gewalttätigen Mann zu verlassen. Aber erst an dem Tag, an dem sie mit dem Fuß aufstampft, sagt, dass sie gehen will, sich scheiden lassen will, bricht die eigentliche Hölle los.«
Per nickte zum Zeichen, dass sie recht hatte. Erika sah aus dem Fenster in den sich verdunkelnden Himmel und beobachtete die Lichter, die allmählich auf der anderen Seite des Flusses angingen.
»Wir ermuntern sie dazu zu gehen«, fuhr sie hartnäckigfort, »vermitteln ihnen, dass dies das Ende von Gewalt und Unterdrückung sei.« Sie seufzte tief und wandte sich Per zu. Ihre Augen schimmerten, und die Pupillen waren groß in der Dunkelheit.
»Wenn sie dann das alleinige Sorgerecht und ein Besuchsverbot beantragt, um sich zu schützen, stellt sie ihn bloß, so dass die Nachbarn, die Arbeitskollegen, alle es erfahren. Die Fassade stürzt ein, er riskiert eine Strafe, riskiert es, im Gefängnis zu landen oder Bußgelder für seine Drohungen zu kassieren. Wenn die Frau ihm dann auf offener Straße begegnet, wird sie erstochen oder findet ihre Kinder daheim ermordet vor. Weil er nichts mehr zu verlieren hat …«
Tränen lösten sich aus ihren Augen. Sie schnäuzte sich erbost, leerte ihr Glas und machte Anstalten aufzustehen. Per hielt sie zurück, indem er eine Hand auf ihren Arm legte.
»Wäre ein Häuschen am Meer in Ordnung? Das einsam liegt? Rundum freie Sicht«, fragte Per langsam. Erika sah ihn verblüfft an, aber sein Gesichtsausdruck veränderte sich nicht, sondern wirkte vollkommen ernst. Nach einem Moment nickte sie. Sie wusste, was er dachte. Göran müsste ausreichend verzweifelt und aufgepeitscht von Hass und Frustration sein, um ihr in die Falle zu gehen.
»Gut, dann regle ich das.«
Per erhob sich abrupt, räumte schnell die Küche auf und verschwand in einem Zimmer. Erika lehnte den Kopf gegen den Fensterrahmen und spürte die kalte Luft an der Scheibe. Erika tapste ins Wohnzimmer. Sie sah einen schwachen Lichtschein unter der Tür zum Arbeitszimmer, als sie daran vorbeiging. Schnell kroch sie unter die Decke auf dem Sofa, lag eine Weile da, starrte an die Zimmerdecke und durch eines der großen Fenster. Der Himmel war dichtbewölkt und bedrohlich, beinahe schwarz. Sie schloss die Augen.
Ohne Vorwarnung ergriff sie Panik, und sie keuchte auf. Ihre Hand verselbstständigte sich und traf Per ins Gesicht. Er stöhnte im
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