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Die Frau des Polizisten

Die Frau des Polizisten

Titel: Die Frau des Polizisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Elfberg
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dort zu bleiben, sich und ihr Eremitendasein zur Schau zu stellen. Und das hatte ihr viel Zeit zum Nachdenken und zum Innehalten gegeben und dazu zu versuchen, wieder zu sich selbst zu finden.
    Anna rief sie mehrmals täglich an. Manchmal schneite sie auf einen Plausch über Wind und Wetter, Kristers Restaurant, darüber, dass bald Frühling werden und die Touristen wieder die Haga Nygatan entlangströmen würden, in ihr Büro herein. Erkundigte sich, ob sie etwas für sie tun konnte, ob ihr etwas fehlte. Ermutigte sie, sich eine richtige Unterkunft zu suchen, eine Wohnung, Eigentum. Bot ihr an, wieder zu ihnen zu ziehen. Und unternahm linkische Versuche, Erika davon zu überzeugen, dass Göran es nicht wagen, ja, nicht die Stirn haben würde, etwas so Dummes zu tun, seinen letzten Besuch bei ihnen zu wiederholen.
    Das Leben verlief auf Sparflamme, in einem atemlosen Warten auf die Erlösung.
    Erikas Alpträume waren intensiver und beängstigender geworden. Sie kamen jede Nacht – ins Bett zu gehen brachte keine wirkliche Erholung. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal ausgeschlafen aufgewacht war. Und die Alpträume endeten schon länger nicht mehr damit, dass sie aus dem Labyrinth fand, dem Feuer entkam oder den nagenden Insekten. Jeden Morgen erwachte sie fest in die Decke eingewickelt, verschwitzt und fröstelnd zugleich, während ein Angstschrei in ihrer Kehle saß.
    Es fiel ihr schwer, sich einzugestehen, dass es seine Zeitbrauchte, bis die Wunden geheilt waren und sie Abstand zu allem bekommen würde. Es ging nicht nur darum, lebendig aus der Sache herauszukommen, sie musste sich auch etwas Neues, etwas, das sich normal nennen ließ, aufbauen. Und das Schwerste würde sein, sich selbst zu verzeihen – für die Jahre der Untertänigkeit, des Schweigens und der gesellschaftlichen Scharade, der Angst und der Schmerzen. Und vor allem für die Jahre der Verleugnung.
    Göran war wie vom Erdboden verschluckt. Niemand hatte ihn gesehen, und seine Anrufe und SMS wurden weniger. Keiner ihrer Freunde aus Stockholm schien zu wissen, wo er sich aufhielt, und ihre ehemalige Gruppenleitung hatte abermals bestätigt, dass Göran sich seit nahezu drei Wochen nicht auf seinem Arbeitsplatz habe blicken lassen.
    Die Stille verhieß nichts Gutes. Er war hier – sah sie. Und wartete ab. Wie ein Jäger, der seiner Beute auflauerte. Bis sie nicht länger auf der Hut sein würde, die Augen schließen und für einen winzigen Moment nicht mehr die Kraft aufbringen würde, in höchster Anspannung zu verharren.
    Sie sah aufs Meer hinaus, dem allgegenwärtigen Meer, das zumeist unbewegt, schwarz und unergründlich dalag. Zur anderen Seite führte der Weg über die Klippe zum Parkplatz und der Bushaltestelle, vorbei an dem Haus des Muminmannes und seinen strahlend weißen Plastik-Trollen, die wie eine gespenstische Armee über dem Boden zu schweben schienen. In seiner Küche brannte Licht. Er war also zu Hause, erledigte etwas in seinem kleinen Heim, lebte sein Leben – fernab der menschlichen Gesellschaft. Vielleicht gab es eine Bezeichnung für seine Andersartigkeit, ein Syndrom irgendeines Namens. Bestimmt bekam er auch irgendeine Beihilfe, die für Lebensmittel und den einen oder anderen Mumintroll reichte. Er störte sich an niemandem, und niemand störte sich an ihm.
    Erika ließ die Jacke im Eingang auf den Boden fallen und hievte die Lebensmittel auf die Küchenarbeitsplatte. Sie betrat das kleine Badezimmer, wusch sich die Hände und erfrischte ihr Gesicht mit kaltem Wasser, fuhr mit den Fingern durch die Haare und seufzte. Die Feuchtigkeit machte ihre Locken nur noch störrischer. Zurück im Wohnzimmer, schnitt sie sich eine dicke Scheibe des leckeren Brotes ab, das Krister täglich frisch in seinem Restaurant backte, bestrich sie dick mit Butter und streute eine Prise Meersalz darauf. Sie kaute genüsslich. Sie entkorkte die Weinflasche, schenkte sich ein Glas ein und ließ den Alkohol seine lindernde Wirkung entfalten und das Flattern in ihrem Inneren dämpfen – ein bisschen nur.
    Sie machte ihr Essen in der Mikrowelle warm – cremiges Risotto und Lammfilets – und tat etwas von dem frischen Salat auf den Teller. Kristers Spezialität. Melone und in Scheiben gehobelte Gurke mit Limette und Jalapeño-Tabasco. Sie schlang das Essen hastig hinunter. Das Knurren in ihrem Magen wollte sich einfach nicht geben, es war wohl nur zum Teil dem Hunger geschuldet.
    Sie hatte Martin, Görans Partner und einen

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