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Die Frau des Polizisten

Die Frau des Polizisten

Titel: Die Frau des Polizisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Elfberg
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brauchte. Gerade als sie nach dem Eimer greifen wollte, um die Kalkmischung auf die Wände aufzutragen, sah sie Kai.
    Er stand am Panoramafenster seines Wohnzimmers und starrte in die Dunkelheit. Ausnahmsweise wölbte sich der Himmel schwarz ohne einen einzigen Stern über dem Meer und den Inseln – eine glatte schwarze Fläche mit einem großen aufgeblähten Mondgesicht weit über ihnen, umgebenvon einem Hof aus feuchtem Dunst. Alles, was von dem kurzen Tag noch geblieben war, war ein blassblauer Streifen am Horizont, der rasch auf das Meer hinausgezogen zu werden schien.
    Es war das erste Mal, dass sie ihn wieder sah, nachdem er vor mehreren Monaten mit den Entwürfen in der Hand anmarschiert kam und verlangt hatte, dass sie sie umgehend unterzeichneten.
    Sie atmete die schneidend kalte Luft ein und blickte in die Dunkelheit. Der kalte Mondschein spannte sich wie eine lange silberne Brücke bis nach Dänemark. Sie spürte das dumpfe Stampfen eines großen Schiffsmotors weit draußen in der Hafeneinfahrt. Der Nachthimmel sei ein samtschwarzes Tuch, hatte ihr Vater immer gesagt. Und die Sterne kleine Löcher, durch die das Licht des Himmels schien. Ein schmerzhafter Stich durchzuckte sie. Jetzt war er tot, genau wie Toni … Alles war so schnell gegangen. Das Leben hatte sich einfach geändert, ohne um Erlaubnis zu fragen.
    Helene kniff die Augen zusammen, beugte sich vor und hob den schweren Eimer mit einem Ruck an. Die Tränen rannen lautlos über ihre Wangen und tropften auf den kalten Boden und in die Kalk-Zement-Mischung. Das Einzige, das gegen die Angst half, waren andere Schmerzen, körperliche Schmerzen  – harte und schwere Arbeit. Heben, schuften, schwitzen, schlagen, graben.
    Das Geräusch eines starken Automotors drang in ihr Bewusstsein. Sie richtete sich auf und stellte den Eimer zurück. Ein großer Audi kam tief grollend die kleine Anhöhe hinauf und blieb vor Kai Andrées breiter Garagenauffahrt stehen. Ein Mann in dunklem Anzug mit einer Lederaktentasche und blondem halblangen Haar stieg aus und verschwand im Haus.
    Der Mann tauchte kurz darauf neben Kai am Fenster auf.Sie schienen zu diskutieren. Kai gestikulierte mit ausladenden Handbewegungen, dann gingen die beiden Herren auf die Terrasse. Helene zog sich hinter einen Stapel Baumaterial zurück, spähte durch einen schmalen Spalt und spitzte die Ohren.
    »Hast du etwas herausfinden können?«, fragte Kai schroff und fixierte den Mann neben sich, der, wie Helene nach einem Augenblick erkannte, sein Anwalt war. Der Mann rieb sich die kalten Wangen und hauchte in die Hände, um sie zu wärmen.
    »Ja. Wie ich gehört habe, kann der Bulle nichts finden.«
    »Verflucht!«
    Kai wirkte baff und nippte an seinem Glas. »Willste ’nen kleinen Schluck Whiskey?«
    Der Anwalt schüttelte entschieden den Kopf.
    »Nein danke, ich muss gleich wieder fahren.«
    »Und ihr könnt sie auch nicht finden?«
    »Nein, es scheint alles nur ein Bluff gewesen zu sein. Keine Spur von ihr.«
    »Du meinst also, ich bleibe mit dem Schwarzen Peter hier zurück? Weißt du, wie viel ich dieser Tante gezahlt habe?«
    Der Anwalt schien im kalten Mondlicht blass geworden zu sein. Er schüttelte den Kopf und warf begehrliche Blicke auf die Whiskeyflasche in Kais Hand.
    »Nicht? Dann sage ich dir, dass ich ein kleines Vermögen an diese verdammte Barbro und ihren Scheißchef bezahlt habe, damit dieses verfluchte Grundstück  …« Kai streckte den Arm aus, mit der er den Flaschenhals umklammert hielt, und zeigte auf die gegenüberliegende Straßenseite, »… nicht bebaut wird. Und jetzt passiert genau das! Und da ist Barbro plötzlich verschwunden, und ihr aalglatter Chef Sten Åhlander hat aus gesundheitlichen Gründen gekündigt.«
    »Ein hohes Tier in der Stadtverwaltung hat dafür gesorgt,dass er gegangen wurde …«, brummte der Anwalt und strich sich den Pony zurück.
    Kai drehte sich wieder dem Meer zu. Helene folgte seinem Blick auf das frisch gegossene Fundament des nächsten großen Einfamilienhauses, das bald aus dem Boden emporwachsen würde. Die schöne Sicht, die Kai genoss, würde bald nur noch Erinnerung sein. Zurzeit ruhten die Bauarbeiten, aber bald würde dort wieder geschäftiges Treiben herrschen. Helene wusste, dass Kai gegen den Bau Anfechtungsklage erhoben hatte, genauso wie sie wusste, dass diese die Arbeiten nur zeitweilig verhindern würde. Kai schlug mit der Faust auf die Glasscheibe des Panoramafensters ein, dass es nur so klirrte, und wandte

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