Die Frau des Zeitreisenden
zeichnen. Ich würde mit Rollerskates von einem Ende des Ateliers zum ändern fahren. Ich würde Riesenwannen aufstellen und eine japanische Trocknungsanlage und einen zehn Pfund schweren Holländer...« Ich bin ganz überwältigt von der Vorstellung dieses imaginären Ateliers, bis mir mein wirkliches Arbeitsreich einfällt und ich nur die Achseln zucke. »Ach, na ja. Vielleicht irgendwann.« Mit Henrys Gehalt und den Zinsen von meinem Treuhandfonds kommen wir gut über die Runden, aber um mir ein richtiges Atelier leisten zu können, müsste ich einen Job annehmen, und dann bliebe mir keine Zeit mehr für die Arbeit im Atelier. Ein echtes Dilemma. Meine Künstlerfreunde hungern alle entweder nach Geld oder Zeit oder beidem. Charisse entwickelt tagsüber Computersoftware und widmet sich nachts ihrer Kunst. Sie und Gomez heiraten nächsten Monat. »Was wollen wir den Gomez’ eigentlich zur Hochzeit schenken?«
»Ich weiß nicht. Können wir ihnen nicht die Espresso-Maschinen schenken, die wir bekommen haben?«
»Die haben wir schon gegen die Mikrowelle und die Brotbackmaschine umgetauscht.«
»Ach richtig, klar. Hey, es ist fast acht. Schnapp dir deinen Kaffee, wir setzen uns ins Wohnzimmer.« Henry schiebt seinen Stuhl zurück und hebt den Fernseher hoch, während ich unsere Kaffeebecher ins Wohnzimmer trage. Er stellt das Gerät auf den Couchtisch, fummelt mit einem Verlängerungskabel herum und dreht an den Knöpfen. Dann setzen wir uns auf die Couch und sehen uns auf Kanal 9 eine Wasserbett-Werbung an. Wie es aussieht, herrscht im Wasserbett-Ausstellungsraum dichtes Schneegestöber. »Mist«, schimpft Henry und späht auf den Bildschirm. »Bei Unique hat er besser funktioniert.« Das Logo für die staatliche Lotterie von Illinois flimmert über den Schirm. Henry gräbt in seiner Hosentasche und reicht mir einen kleinen weißen Zettel. »Nimm mal.« Es ist ein Lottoschein.
»O Gott! Du hast doch wohl nicht...«
»Seht. Pass auf.« Die Lotteriebeamten, seriöse Herren in Anzügen, verkünden mit großem Trara die Zahlen auf den Pingpongbällen, die einer nach dem anderen in ihre Position ploppen: 43, 2, 26, 51,10,11. Natürlich stimmen sie mit den Zahlen auf meinem Zettel überein. Die Lotteriemänner beglückwünschen uns. Wir haben soeben acht Millionen Dollar gewonnen.
Henry schaltet den Fernseher aus. Er lächelt. »Guter Trick?«
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll.« Henry merkt, dass ich keine Freudensprünge mache. »Sag: >Danke, Liebling, dass du uns das nötige Kleingeld besorgt hast, um uns ein Haus zu kaufen.< Das würde mir schon genügen.«
»Aber... Henry... der ist nicht echt.«
»Klar doch. Das ist ein echter Lottoschein. Wenn du damit zu Katz’ Deli gehst, nimmt Minnie dich fest in den Arm, und der Staat Illinois schreibt dir einen echten Scheck aus.«
»Aber du wusstest es vorher.«
»Klar. Selbstverständlich. Ich musste nur einen Blick in die Tribüne von morgen werfen.«
»Wir dürfen nicht... das ist Betrug.«
»Wie dumm von mir!« Henry schlägt sich dramatisch an die Stirn. »Mir ist völlig entfallen, dass man Scheine kaufen soll, ohne zu wissen, welche Zahlen kommen. Aber das können wir schnell wieder gutmachen.« Er verschwindet durch den Flur in die Küche und kommt mit einer Streichholzschachtel zurück, zündet ein Streichholz an und hält den Schein darüber.
»Nein!«
Henry bläst das Streichholz aus. »Ist doch egal, Clare. Wir könnten jede Woche im nächsten Jahr in der Lotterie gewinnen, wenn wir nur wollen. Wenn du damit also ein Problem hast, nicht weiter schlimm.« Der Schein ist an einer Ecke leicht angekokelt. Henry setzt sich neben mich aufs Sofa. »Hör mal. Wieso behältst du den Schein nicht einfach und wenn dir danach ist, löst du ihn ein, und wenn du ihn dem nächstbesten Obdachlosen schenkst, auch in Ordnung.«
»Das ist unfair.«
»Was ist unfair?«
»Du kannst diese Riesenverantwortung nicht einfach mir überlassen.«
»Tja, mir ist beides Recht. Wenn du also meinst, wir betrügen den Staat Illinois um das Geld, das er schwer schuftenden Deppen aus der Tasche gezogen hat, dann vergessen wir die Sache. Ich bin sicher, wir finden einen anderen Weg, um dir zu einem größeren Atelier zu verhelfen.«
Ah! Ein größeres Atelier. Langsam dämmert mir - Dummerchen, das ich bin -, dass Henry jederzeit in der Lotterie gewinnen könnte; dass er bislang darauf verzichtet hat, weil es nicht normal ist; dass er beschlossen hat, sein fanatisches
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