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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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drüben treibst?«, fragte sie und nickte in die Richtung des Flusses und der Universität. »Das kommt mir aber ein bisschen … billig vor.«
    »Das ist die unseriöseste Anwendung der Sygaldrie, die mir je untergekommen ist«, sagte ich.
    |144| Denna lachte. »Das klingt ja richtig gekränkt«, sagte sie. Und dann: »Sygaldrie heißt das?«
    »Sygaldrie ist die Kunst, Runen so zu schreiben oder zu gravieren, dass sie bestimmte Dinge bewirken.«
    Dennas Augen leuchteten auf. »Das ist also eine Form der Magie, bei der man etwas aufschreibt?«, fragte sie und beugte sich auf ihrem Sessel vor. »Wie funktioniert das?«
    Ich zögerte. Nicht nur, weil das eine sehr große Frage war, sondern auch, weil die Universität sehr strikte Regeln hat, was die Weitergabe von Geheimnissen des Arkanums angeht. »Das ist ziemlich kompliziert«, sagte ich.
    Zum Glück klopfte es in diesem Augenblick an der Tür, und unsere Getränke kamen. Beim Duft der Schokolade lief mir das Wasser im Munde zusammen. Der Portier stellte das Tablett mit den beiden Tassen auf einem Tisch ab und ging wortlos wieder hinaus.
    Ich trank einen kleinen Schluck und lächelte ob der cremigen Süße. »Es ist Jahre her, dass ich das letzte Mal Schokolade getrunken habe«, sagte ich.
    Denna hob ihre Tasse und sah sich im Zimmer um. »Eine seltsame Vorstellung, dass manche Leute ihr ganzes Leben in solcher Umgebung verbringen«, sagte sie.
    »Gefällt es dir nicht?«, fragte ich erstaunt.
    »Mir gefällt die Schokolade und die Harfe«, sagte sie. »Aber auf diese Klingel und dieses Wohnzimmer könnte ich gut verzichten. Und ich hasse den Gedanken, dass jemand den Auftrag hat, auf mich aufzupassen, als wäre ich ein Schatz, den jemand versuchen könnte zu stehlen.«
    »Du willst also nicht wie ein Schatz behandelt werden?«
    Sie kniff über den Rand der Tasse hinweg die Augen ein wenig zusammen, als wüsste sie nicht, wie ernst ich das meinte. »Ich mag es nicht, hinter Schloss und Riegel verwahrt zu werden«, erläuterte sie in leicht grimmigem Ton. »Ich habe nichts dagegen, wenn man mir Gemächer zur Verfügung stellt, aber wenn ich nicht nach Belieben kommen und gehen kann, sind das ja eigentlich gar nicht meine Gemächer.«
    |145| Ich hob eine Augenbraue, doch bevor ich etwas darauf sagen konnte, tat sie das alles mit einer Handbewegung ab. »So ist es ja gar nicht«, sagte sie seufzend. »Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass Kellin über mein Kommen und Gehen auf dem Laufenden gehalten wird. Und ich weiß, dass der Portier ihm verrät, wer mich besuchen kommt. Es geht mir nur ein bisschen gegen den Strich, weiter nichts.« Sie lächelte schief. »Das klingt wahrscheinlich schrecklich undankbar, nicht wahr?«
    »Ganz und gar nicht«, sagte ich. »Als ich ein kleiner Junge war, ist meine Truppe überall umhergereist. Aber jedes Jahr verbrachten wir ein paar Spannen auf dem Gut unseres Schirmherrn und traten vor seiner Familie und seinen Gästen auf.«
    Ich schüttelte angesichts dieser Erinnerungen den Kopf. »Baron Greyfallow war ein überaus großzügiger Gastgeber. Wir aßen an seiner Tafel. Er machte uns Geschenke …« Dabei musste ich an das ganze Regiment Zinnsoldaten denken, das er mir einmal geschenkt hatte. Ich schüttelte den Kopf, um mich von diesen Gedanken zu befreien. »Aber mein Vater hat es gehasst. Er ist die Wände hochgegangen. Er konnte das Gefühl nicht ertragen, jemandem auf Abruf zur Verfügung stehen zu müssen.«
    »Ja«, sagte Denna. »Genau das ist es. Wenn Kellin sagt, dass er mich an dem und dem Abend eventuell besuchen kommt, komme ich mir vor, als wäre ich mit den Füßen am Boden festgenagelt. Wenn ich trotzdem ausgehe, ist das unhöflich und widerspenstig von mir. Bleibe ich aber da, komme ich mir vor wie ein Hund, der brav vor der Tür wartet.«
    Wir schwiegen einen Moment lang. Denna drehte gedankenverloren einen Ring an ihrem Finger hin und her, und der Sonnenschein fing sich in dem hellblauen Stein.
    »Aber trotzdem«, sagte ich und sah mich um, »sind das schöne Gemächer.«
    »Sie sind schön, wenn du hier bist«, erwiderte sie.

    |146| Etliche Stunden später stieg ich hinter einer Metzgerei eine schmale Treppe empor. Aus der Gasse drunten stank es nach ranzigem Fett, und doch lächelte ich. Ein ganzer Nachmittag allein mit Denna war ein seltenes Vergnügen, und für jemanden, der drauf und dran war, sich auf Geschäfte mit einer Dämonin einzulassen, schritt ich erstaunlich leichtfüßig einher.
    Ich klopfte an

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