Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)
führen und die Straße der Ehre säumen.«
»Ein schönes Bild«, befand Isaak und übertrug es in Gedanken in die Aachen er Pfalzanlage. König Karl würde ihn wohl eher fragen, wie denn ein Löwenbraten schmecke.
»Unser erlauchter Herr liebt seine großen Katzen«, sagte Yahya, »aber seinen Bruder Karl liebt er noch mehr und ist daher bereit, drei seiner edlen Löwen zu opfern, wenn … « Er machte eine beziehungsreiche Pause.
Atemlos wartete Isaak auf die Fortsetzung des Satzes. Wenn die Tiere den König überhaupt erreichen, formulierte sein Hirn, wenn es mir gelingen sollte, sie mir untertan zu machen, wenn …
»… wenn die Hunde ihrer Aufgabe gewachsen sind«, schloss Yahya.
Jetzt begriff Isaak überhaupt nichts mehr. Der Sturz vom Pferd hatte seinem Verstand offenbar größeren Schaden zugefügt. Er beschloss, sich vorerst zu nichts zu äußern, sondern einfach abzuwarten und den Dingen ihren Lauf zu lassen.
Yahya hatte sich wieder in Bewegung gesetzt. In respektvollem Abstand blieb er vor dem immer noch kauernden Kalifen stehen.
»Beherrscher der Gläubigen«, rief er. »Ich bringe dir den Dhimmi aus dem Frankenland.«
Zumindest wird mir jetzt eine Heimat zugeordnet, dachte Isaak, vielleicht sollte ich mir von Iosefos in Aachen ein Haus erbauen lassen. Wenn mich die Löwen vorher nicht fressen.
»Willkommen«, sagte der Kalif. Er erhob sich und deutete auf den Käfig vor sich. Aus diesem drang kein Löwengebrüll, sondern lautes Gebell. Isaak zählte nach. Neun der zehn Molosser hatten den Angriff vor den Toren Bagdads überlebt.
»Mein Bruder König Karl kennt sich mit der Löwenjagd aus?«, fragte der Kalif Isaak.
Der entsann sich der abbasidischen Etikette und starrte den Kalifen unverwandt an. »Gewiss, edelster Herrscher, wiewohl König Karl die Jagd auf Bären, Hirsche und Auerochsen ein wenig vertrauter ist.«
»Und auf Frauen. Er hat eine neue Gemahlin, wie ich hörte? Ist sie schön?«
»Wie der hellste Stern am nördlichen Firmament, oh Herr«, versicherte Isaak. Er erinnerte sich an sein Unbehagen, als ihn der Kalif bei seiner ersten Audienz ausführlich zu Königin Fastrada befragt hatte. Wie er sich damals hatte mühen müssen, nichts von seinem Abscheu vor Karls damaliger Gemahlin durchblicken zu lassen. Über ihre bezaubernde Nachfolgerin hingegen hatte er nur Vorteilhaftes zu erzählen. Isaak freute sich über die Gelegenheit, seine Bewunderung für die anmutige Liutgard in wohlgesetzte arabische Laute zu fassen.
»Das entzückt mich«, bemerkte der Kalif, »wie auch die Nachricht, dass mein Bruder Karl die Dienste meines vorzüglichen Baumeisters Yussuf zu schätzen weiß.« Ein feines Lächeln spielte um seine Lippen, als er hinzusetzte: »Die Zeichnungen seines Sohnes geben trefflich Zeugnis davon, wie nah mir mein fränkischer Bruder Karl trotz der großen Entfernung doch steht. Es ist überaus erfreulich, dass auch er die Wirkung einer hohen weiten Kuppel zu schätzen weiß wie auch die von Bogengängen ähnlich den unseren. Ich werde Yussuf eine angemessene Belohnung zukommen lassen, Dhimmi. Und seinem Sohn zum Dank für die fein ausgearbeiteten Skizzen eine ausnehmend schöne Sklavin, die ihm im kalten Norden das Lager wärmen wird.«
Er sah die Augenlider des Fernhändlers zucken.
»Zwei Sklavinnen?«, fragte der Kalif sachlich.
»Eure Barmherzigkeit ist unermesslich, Herr«, antwortete Isaak, »doch Ezra, Sohn des Yussuf, verzehrt sich im fernen Frankenland mehr nach den Worten Allahs als nach dem Leib schöner Frauen. Die Buchstaben seines Korans sind kaum mehr lesbar. Und er hat vergeblich versucht, sich ein neues Buch zu beschaffen.«
»Dem ist abzuhelfen«, bemerkte der Kalif. »Du wirst ihm eine unserer schönsten Ausgaben mitbringen.« Er wandte sich an seinen Wesir: »Ist alles vorbereitet, Yahya?«
»Gewiss, Beherrscher der Gläubigen. Wir können beginnen, sobald der Dhimmi drei Löwen ausgewählt hat. Die Gäste sind bereits eingetroffen.«
Wenig später blickte Isaak dankbar auf drei tote Raubkatzen im Sand. Des Königs Molosser hatten bei einem sehr blutigen Schaukampf kurzen Prozess mit den Löwen gemacht. Begeistert applaudierte Harun al Raschid und rief: »Welch vorzügliche Tiere! Ihr Auftritt ist so grimmig wie ein Sandsturm in der Wüste! Sprich, Dhimmi, was vermögen diese Hunde außerdem?«
»Unübertrefflich gütiger Herrscher über das glücklichste Land der Welt«, begann Isaak, erfreut, nun doch etwas Schmuckvolles sagen zu dürfen,
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