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Die geheime Reise der Mariposa

Die geheime Reise der Mariposa

Titel: Die geheime Reise der Mariposa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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hatte auf dem Schiff. Allein durch das Zuhören. Das war nicht auf der Isabelita gewesen, sondern auf dem größeren Schiff, vorher – dem, das sie in einer wochenlangen Reise über den Atlantik gebracht hatte.
    Er begann zu frieren. Irgendwo, viele Meilen unter ihm, lag der Meeresgrund. Er hatte keine Chance. Plötzlich musste er lachen. »Wie sehr sich Waterweg wundern wird!«, flüsterte er.
    Er weigerte sich, Waterwegs Vornamen auszusprechen. Ein Vorname setzt ein gewisses Maß an Intimität voraus, ein gewisses Maß an Sympathie. Er hegte keine Sympathie für Waterweg, Verwandtschaft hin oder her.
    »Ja, wie er sich wundern wird!«, fuhr Jonathan fort. »Der ganze Aufwand umsonst! Die Reise, die Pässe, die Namen – alles umsonst! Er hat nur einen Teddybären mit einer roten Schleife aus Hamburg gerettet. Die andere Person, die er retten wollte, ist ihm auf dem letzten Stück des Weges verloren gegangen. Sie wird irgendwo zwischen Isabela und Baltra ertrinken, egal unter welchem Namen.«
    Er schloss die Augen. Eigentlich war alles gut, wie es war. Mit eisigen Fingern griff er in seine Hosentasche und zog die Mütze hervor, die alte Schiebermütze seines Vaters. Er hielt sie ganz fest.
    »Ich komme«, flüsterte er. »Wartet nur noch ein Weilchen, dann bin ich da.«
    Er hatte nie an viel geglaubt. Seine Eltern waren keine Kirchgänger gewesen. Doch jetzt strengte er sich an zu glauben, er glaubte so fest, dass es wehtat: Er würde sie wiedersehen. Sie alle. Sie waren irgendwo, nur noch getrennt von ihm durch eine papierdünne Wand aus wenigen Minuten, wenigen Grad Celsius. »Ich bringe die Mütze mit«, flüsterte er. »Papa, deine alte! Und das Geißblatt wird blühen, wie damals in Hamburg. Nur schade, Mama, dass du jetzt die Inseln nie zu sehen bekommst, von denen du immer geträumt hast. Ich weiß noch, wie du uns von ihnen vorgelesen hast, von den Seelöwen und den Leguanen, die so zahm sind, dass man sie streicheln kann … Ich weiß noch … jedes Wort …«
    Dann zog das Meer ihn hinab.
    Ein Kind? Er war kein Kind.
    Wie konnten sie so etwas sagen? Er war dreizehn. Fast vierzehn. Und er konnte mit seinem Mausergewehr umgehen, seit er zehn war. Wenn seine Brüder alt genug waren, Sandro und Felipe, dann war er es auch. »In Europa ist Krieg«, sagte José ernst. »Im Krieg kann man es sich nicht leisten, in meinem Alter ein Kind zu sein.«
    Sein Vater lachte und Sandro und Felipe stimmten mit ein. Es war ein gemütliches, dröhnendes Lachen, das sie lachten, aber in diesem Moment hasste José sie dafür.
    »Seht ihn euch an, meinen erwachsenen Sohn!«, rief Josés Vater. »Seht ihn euch nur gut an! Läuft von der Farm zu Hause weg und lässt sich vom alten Silvio auf seiner Jacht mitnehmen, um ein Held zu werden!«
    »Und in Europa ist Krieg, sagt er«, meinte Sandro. »Unser weiser kleiner José.«
    Ehe José sich wehren konnte, hatte Felipe ihn hochgehoben. Felipe war stark wie zwei Pferde. Er schob ein paar Bierdosen beiseite, grinste den beiden Amerikanern am Tisch zu und stellte José mitten auf den Tisch.
    »Schau dich nur gut um, tapferer kleiner Bruder«, sagte er mit einem breiten Lächeln. »Schau ihn dir an, den Krieg!«
    Die Welt, in die José von dem Tisch aus hineinsah, war blau. Blau lag der Pazifik da, blau wölbte sich der Himmel darüber, und in weiter Ferne lagen als blaue Umrisse andere Inseln – die größte davon Isabela. Irgendwo dort stand seine Mutter, vermutlich an einem blau gestrichenen Zaun, und machte sich Sorgen um ihren jüngsten Sohn. Nur der Hafen von Baltra, keinen Gewehrschuss weit von dem Tisch entfernt, war nicht blau. Im Hafen legte eben ein graues Schiff der amerikanischen Marine ab, um eine Spur ins Meeresblau zu malen. José drehte sich um. Hinter ihm begann der neue Flugplatz der Amerikaner zu wachsen. Daneben lagen die Baracken der Arbeiter. Auch sie waren grau.
    Ein Schwarm schwarzer, rotbrüstiger Fregattvögel schoss durch den Himmel, schlug ins Meer ein wie Granaten und tauchte sofort wieder auf, synchron, in einem perfekten Luft-und-Wasser-Ballett. Einige von ihnen trugen jetzt silbrige Fische im Schnabel. Von irgendwoher drang Musik aus einem amerikanischen Transistorradio durch den warmen Nachmittag.
    »Ich sehe den Krieg«, sagte José. »Baltra wäre leer ohne den Krieg. Nichts und niemand wäre hier außer den Leguanen und den Fregattvögeln und ein paar einsamen Büschen. Seid ihr so blind?«
    Er kletterte vom Tisch, setzte sich auf einen freien

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