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Die geheimen Jahre

Titel: Die geheimen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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nicht gut, Tante Tony. Ehrlich gesagt, hat er sich in Drakesden nie mehr richtig eingelebt. Aber andererseits fühlte er sich auch anderswo nie wirklich wohl. Am glücklichsten war er, wenn wir auf Reisen waren.«
    Früher hatte sie gedacht, sie könnte Nicholas glücklich machen, aber in letzter Zeit hatte sie den Eindruck, daß sie vielleicht doch zu verschieden waren und aufgrund ihrer Herkunft und Geschichte zuviel Trennendes zwischen ihnen lag. Doch wie prekär der Zustand ihrer Ehe tatsächlich war, würde sie keinem eingestehen, nicht einmal Antonia. Fröhlicher fügte sie hinzu: »Aber sein elektrisches Licht und seine Warmwasserleitungen sind doch herrlich, nicht wahr, Tante Tony?«
    Â»Ja, in der Tat«, stimmte Antonia zu. »Ich fand immer, daß diese großen Häuser wundervoll sind – soviel Geschichte haben –, aber schwer zu unterhalten, meiner Meinung nach. Ihr braucht soviel Personal, obwohl doch jeder sagt, daß heutzutage gute Leute schwer zu finden sind.«
    Sie gingen am Rand des Rasens, an dem verwilderten Stück Garten entlang. Vor Thomasine lagen die Koppel, der Deich, die Felder. Wolken zogen sich am Horizont zusammen und warfen schwarze Schatten auf den sonnenbeschienenen Weizen.
    Â»Williams Kindermädchen kommt am Montag«, sagte sie plötzlich. »Ich wünschte wirklich …« Sie schaffte es gerade noch, sich zurückhalten. Sie konnte sich nicht vorstellen, William mit einer Fremden zu teilen, ihr zu erlauben, das Baby zu füttern, es zu baden, mit ihm zu spielen. Sie merkte, daß Antonia sie besorgt ansah.
    Â»Das ist doch völlig üblich«, sagte Antonia sanft. »All die vornehmen Damen, die ihre Töchter in meine Schule schicken – nun, sie alle stellen Kindermädchen ein.«
    Die Regenwolken zogen langsam näher. Thomasine machte mit dem Kinderwagen kehrt und begann schnell den Hang zum Haus zurückzugehen.
    Â»Gestern bekam ich einen Brief von Tante Hilly«, sagte sie strahlend. »Offensichtlich hat sie einen netten, intelligenten Herrn kennengelernt. Glaubst du, es besteht die Chance …?«
    Wenn er später darüber nachdachte, erinnerte sich Daniel an diesen Ausflug nach London als an das letzte Mal, daß zwischen ihm und Fay die Dinge noch zum Guten standen. Sie trug ein Kleid, das er noch nie an ihr gesehen hatte: ein wehender Stoff von blassem Rosa, der das durchsichtige Weiß ihrer Haut und den dunklen Glanz ihres Haars betonte.
    London hatte sich während der zwanzig Monat ihrer Abwesenheit verändert. Riesige Verkehrsstaus verstopften das Zentrum der Stadt, die Abgase nahmen ihnen die Luft. Im West End, beim Schaufensterbummel, hörten sie der Straßenmusik eines Kriegsversehrten zu. Fay stieß entzückte Rufe über die schicken Sachen in den Schaufenstern aus, während Daniel sich die Beine in den Bauch stand, London haßte, das ganze elende, verdammte Land haßte, das sogar seine Kriegshelden zu Bettlern degradierte.
    Bei Selfridges aßen sie zu Mittag, und Fay kaufte einen Hut und ein Kleid. Das Geld dafür stammte von den Artikeln, die Daniel für den Ely Standard geschrieben hatte. Später, auf der Busfahrt nach Bethnal Green, wo er Hattie besuchen wollte, während Fay ihre Mutter in Gorringes traf, überlegte er sich weitere Artikel. Für überregionale Zeitungen, für Magazine und Wochenzeitschriften. Er mußte mehr Geld verdienen, um Fay die Dinge schenken zu können, die sie haben wollte. Ein besseres Haus, hübsche Kleider – Kinder vielleicht. Daß er mit seinen siebeneinhalb Hektar sumpfigen Lands nie genug verdienen würde, war ihm klar.
    Bethnal Green hatte sich überhaupt nicht verändert: Immer noch spielten barfüßige Kinder in den Rinnsteinen, und immer noch sahen die Frauen mit fünfundzwanzig bereits alt aus. Hattie umarmte und küßte ihn, konnte aber den Husten nicht verbergen, der ihren Körper schüttelte. Sie war vor einem halben Jahr Witwe geworden, tat Daniels Sorgen über ihre Gesundheit ab, stopfte ihn mit Essen und Trinken voll und lauschte interessiert seinen Neuigkeiten.
    Dann kehrten sie nach Drakesden zurück, und das Leben nahm wieder seinen gewohnten Lauf: Daniel arbeitete den ganzen Tag, Fay zeigte kein Interesse an Haus und Farm, und aus ihrem Desinteresse wurde bald Nachlässigkeit. Immer öfter gab es kein Essen, der Herd rauchte, wenn die

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