Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)
Geschäfte um jeden Preis zu machen …
Fischer brach ab und nahm die Hände vors Gesicht. Weint der etwa? dachte May. Wenn Männer weinen, so war das für ihn unerträglich. Einmal hatte er den Vater weinen sehen, vor Elend und Ausweglosigkeit hatte er geweint und der Junge hatte ihn in seiner kleinen provisorischen Werkstatt in solcher Verzweiflung angetroffen, dass er ratlos und erschrocken davongerannt war, und es war ihm damals vorgekommen, als würde die Welt einstürzen. Tagelang konnte er an nichts anderes denken als an das Leid des Vaters.
Gut, sagt May, vielleicht könne man einen Kompromiss machen.
Fischer nahm die Hände vom Gesicht. Nein, er hatte nicht geweint, aber seine Verzweiflung war echt gewesen. Jetzt horchte er auf. Gab es doch noch eine Chance?
Wenn Sie mir schriftlich bestätigen, Verehrtester, sagte May, dass alle unsittlichen Stellen, dass der ganze Unrat von fremder Hand eingefügt worden ist, gestatte ich Ihnen den Vertrieb mit der Auflage, diese hässlichen Stellen unwiderruflich zu entfernen. Und dann wäre noch eine kleine Abfindung wegen der Nutzungsrechte fällig …
Fischer sprang auf und wollte May die Hände küssen. Doch der wehrte ab. Lassen Sie das, mein Lieber, Sie haben heute schon genug Theater gespielt. Wir werden alles, was ich jetzt ins Unreine gesagt habe, noch zu Papier bringen und wie in einem Vertrag festhalten.
Einverstanden?
Auguste Sophie Fischer war aus ihrer Erstarrung erwacht. Sie klatschte wie wild Beifall. O ja, lieber May, so machen wir’s. Und auch ihr Gatte, dessen Wangen wieder Farbe bekommen hatten, schien begeistert. Versprochen, lieber May, versprochen! Seine Augen glänzten.
Ach, mein Herzenswunsch wäre es, lieber May, wenn ich von Ihnen eines Tages was ganz Neues und Einmaliges, noch nie Gedrucktes in die Hand bekäme. Mit Goldschnitt, in prachtvolles Leinen gebunden, mit Lesebändchen und auf schönstem Papier druckte ich es.
May wiegte den Kopf. Hm, hm, machte er. Er sage nicht nein und sage nicht ja, aber er ziehe es, wie die Diplomaten sagen, in Erwägung, in wohlwollende Erwägung. Vielleicht … er brach ab, schaute zu seiner Frau. Die nickte ihm zu. Ja, also, sprach er weiter, es gäbe da allerdings ein Projekt, das er sich vorstellen könne.
Oh, was ist es, was, oh, sagen Sie es, bitte? Was es denn wäre? wiederholte er. Na los, zieren Sie sich nicht so? Fischer war in Erregung geraten, er rutschte, zappelte auf seinem Stuhl hin und her, fragte noch drei Mal nach, hastig, ungeduldig, drängend. Hm, hm, antwortete May, es sei so eine Art Dorfgeschichten, ja, erzgebirgische Dorfgeschichten wären es. Aber … hm, hm, hm er wisse noch nicht, er müsse alles noch einmal durchdenken … so schnell bekäme er den Schwenk nicht hin.
Eben wollten Sie mich noch auslöschen, Verehrtester, wollten mir ans Geld – und jetzt? Ein paar Tage Bedenkzeit brauch ich schon …
Alle Zeit der Welt, lieber May, alle Zeit, die Sie benötigen, selbstverständlich …
Fischer war wie elektrisiert, er saß, glühend, eifrig, wie benommen von der Aussicht, mit May doch noch ins Geschäft zu kommen und so sah er nicht, mit welchem Blick Klara ihren Mann angeschaut und wie der ihren Blick erwidert hatte. Die Dorfgeschichten waren Mays altes Lieblingskind, aber er hatte bisher kein Glück damit gehabt. Fehsenfeld in Freiburg hatte ihn abblitzen lassen. Nichts für mich, mein Lieber, hatte er gesagt, das sei vorbei, diese Gattung sei tot, und im Übrigen von den Bayern fest im Griff, seit Thoma und neuerdings Ganghofer sei nichts mehr zu holen. Schlagen Sie sich das aus dem Kopf, mein Lieber, hatte er gelacht. Aber er, May, war hartnäckig, vielleicht ginge es mit dem Fischer wider Erwarten gut. Die Bayern waren weit, man war in Sachsen und seine Dorfgeschichten waren sächsische Geschichten, handfest, farbig und spannend, in gewisser Weise knüpften sie an den „Verlorenen“ an. Und wenn er den Fischer auch noch ein bisschen hinhalten wollte, er hatte sich schon entschieden …
Die Tür ging auf, das Mädchen fragte, ob sie noch etwas servieren solle. Ja, rief Klara und ihr war die Erleichterung anzusehen, bringen Sie uns die Flasche mit dem Selbstgemachten.
Wir wollen einen Likör trinken.
Als der Besuch dann gegangen ist, umarmt sie ihren Karl und küsst ihn auf die Wange. Die schönsten Ausklänge seien doch diejenigen, sagt sie zärtlich, die in Harmonie erfolgten, da bliebe so etwas wie Herzlichkeit und Menschlichkeit zurück, wie ein angenehmer
Weitere Kostenlose Bücher