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Die Gelehrten der Scheibenwelt

Die Gelehrten der Scheibenwelt

Titel: Die Gelehrten der Scheibenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Planeten erzeugt, der, wie wir sehen werden, nicht der gemäßigt friedliche Ort ist, für den wir ihn gern halten.
    Bakterien gehören zu einer Kategorie von Organismen, die als Prokaryoten (Kernlose) bekannt sind. Sie werden oft als ›Einzeller‹ bezeichnet, doch viele einzellige Lebewesen sind weitaus komplexer und unterscheiden sich sehr von Bakterien. Bakterien sind keine echten Zellen, sondern etwas Einfacheres; sie haben keine Zellwand und keinen Kern. Echte Zellen und sowohl einzellige als auch mehrzellige Wesen kamen später und werden Eukaryoten genannt. Sie entstanden wahrscheinlich, als mehrere verschiedene Prokaryoten ihre Kräfte zum gemeinsamen Nutzen vereinten, ein als Symbiose bekannter Trick. Die ersten fossilen Eukaryoten sind Einzeller wie Amöben und erschienen vor etwa zwei Milliarden Jahren. Die ersten Fossilien von Mehrzellern sind Algen von vor einer Milliarde Jahren … vielleicht sind sie auch schon 1,8 Milliarden Jahre alt.
    Das war die Geschichte, wie sie die Wissenschaftler bis 1998 auffaßten: Gliederfüßer und andere komplexe Tiere traten erst vor gerade eben 600 Millionen Jahren auf, und die bis vor etwa 540 Millionen Jahren waren wirklich sehr seltsam – ziemlich verschieden von dem, was uns heute umgibt.
    Diese Wesen werden nach dem Ort in Australien, wo die ersten Fossilien gefunden wurden, als Ediacara-Fauna bezeichnet.* [ * Bedenkt man manche Ortsnamen in Australien, so hatten sie Glück, daß sie schließlich nur so klangen wie eine weniger wichtige Spezies in Star Trek . ] Sie konnten einen halben Meter oder noch größer werden, doch soviel nach den Fossilien zu sagen ist, scheinen sie keinerlei innere Organe oder Körperöffnungen wie einen Mund oder einen After gehabt zu haben (vielleicht lebten sie davon, daß sie symbiotische Bakterien in ihrem Innern verdauten, oder von einem anderen Prozeß, über den wir nur Vermutungen anstellen können). Manche waren abgeflacht und hingen deckenförmig zusammen. Wir haben keine Ahnung, ob die Ediacarer unsere fernen Vorfahren waren oder eine Sackgasse, eine zum Untergang verurteilte Lebensform. Einerlei: Damals gab es sie und, soweit man weiß, außer ihnen kaum etwas anderes. Es gibt allerdings Anzeichen für fossile Häufchen, wie sie von Würmern aufgeworfen werden, und einige der jüngsten Fossilien sehen aus wie … Aber wir eilen voraus. Der springende Punkt ist der, daß fast das gesamte ediacarische Leben anscheinend nichts mit dem zu tun hatte, was später kam.
    Vor etwa 540 Millionen Jahren folgten auf die präkambrischen Ediacarer die Wesen des kambrischen Zeitalters. Die ersten zehn Millionen Jahre hindurch waren diese Viecher auch ziemlich seltsam; sie haben Fragmente von Graten und Stacheln hinterlassen, die vermutlich die Überreste urtümlicher Skelette waren, die sich noch nicht zu einem Ganzen zusammengefügt hatten. An dem Punkt lernte die Natur plötzlich, wie man zusammenhängende Skelette herstellt, und noch viel mehr: Es war die Zeit, die als die Kambrische Explosion bekannt ist. Zwanzig Millionen Jahre später existierte praktisch schon jeder Bauplan, den man bei modernen Tieren findet – alles danach war nur noch Feinarbeit.
    Die wirkliche Neuerung der Kambrischen Explosion jedoch war weniger offensichtlich als zusammenhängende Skelette oder Stoßzähne oder Schalen oder Glieder. Es war eine neue Art von Bauplan des Körpers. Ediacarer und moderne Quallen sind Diploblasten – zweischichtige Lebewesen. Sie haben ein Innen und ein Außen, wie ein dicker Papiersack. Dreischichtige Wesen wie wir und so ziemlich alle anderen heißen Triploblasten.* [ * Im Deutschen kommen ›Diploblasten‹ und ›Triploblasten‹ nur in ziemlich spezieller Fachliteratur vor, aber das sind die genauesten Begriffe. Die ersteren erscheinen deutsch öfters als ›Hohltiere‹, für letztere findet man Bezeichnungen wie ›Bilateria‹, ›Bilateralia‹ und ›Zölomaten‹ (Coelomata), die von Fall zu Fall auch noch abweichend definiert sein können. – Anm. d. Übers. ] Wir haben Innen, Außen und Dazwischen.
    Das Dazwischen war der große Sprung nach vorn, oder zumindest das große Schlittern. Dazwischen kann man Dinge unterbringen, die man schützen muß, wie innere Organe. In gewissem Sinn ist man nicht mehr Teil der Umwelt – es gibt auch ein Ich. Und wie jemand, der jetzt etwas für sich selbst hat, beginnt man mit Verbesserungen.
    Das ist eine Lüge-für-Kinder, aber für eine Lüge ist es gut.
    Triploblasten

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