Die Geliebte des Normannen
eisernem Willen ab.
Der Priester kam; auch er war ein lebenslanger Freund und Mentor der Königin. Mary stand auf, als Pater Joseph an das Bett trat. Margaret öffnete die Augen.
»Hat er die letzte Ölung bekommen?«
Mary sah die bittere Wahrheit im Blick des Priesters, als er Margaret belog, um ihre Unruhe zu besänftigen.
Während Margaret leise mit dem Priester betete, verließ Mary unauffällig den Raum. Draußen lehnte sie sich an die Mauer. Die Frauen ihrer Mutter umringten sie und bombardierten sie mit geflüsterten Fragen.
Mary löste sich von ihnen, obgleich sie wusste, dass die Besorgnis der Ladys echt war und jede einzelne von ihnen Todesangst um ihre Königin ausstand. Sie konnte keine Fragen beantworten. Sie ließ die Frauen einfach stehen und rannte nach unten.
Der junge Mann, der die Nachricht von Malcolms Tod überbracht hatte, saß im großen Saal am Tisch und aß heißhungrig. Mary setzte sich neben ihn auf die Bank. Der Anblick von Essen verursachte ihr Übelkeit.
»Wie kann das wahr sein?«, stieß sie heiser hervor. »Wie kann es sein, dass Malcolm tot ist?«
Der junge Mann schob sein Schneidebrett beiseite. Seine blauen Augen füllten sich mit Tränen.
»Malcolms Armee wurde hinterrücks angegriffen. Dabei wurde er von seinen Männern abgeschnitten. Das hätte nie passieren dürfen.« Der Bote wandte den Blick von ihr ab.
Mary packte ihn mit einer Kraft am Arm, die zu besitzen sie nicht mehr geglaubt hatte.
»Welche Armee?«
»Die von Northumberland.«
Mary fühlte sich schwindlig; der Tisch drehte sich vor ihren Augen.
Hatte Stephen den Angriff befehligt, der zu Malcolms Tod geführt hatte?
»Prinzessin«, sagte der Bote heiser, »es gibt noch mehr zu berichten.«
Mary rieb sich die Augen, um wieder klar zu sehen. Der Tisch hörte auf, sich zu drehen, aber dafür war nun ihre ganze Welt verschwommen.
»Nein«, sagte sie. »Nicht noch mehr.«
Der Mann befeuchtete sich die Lippen.
»Edward wurde verwundet.«
»Nein!« Mary hielt sich am Tisch fest, um nicht umzukippen. »Er ist doch nicht ...«
»Es sieht nicht gut aus. Aber als ich losritt, lebte er.«
»Er wird überleben«, sagte Mary voller Gewissheit. Sie schloss die Augen, nun benommen vor Erleichterung. »Kein verdammter Normanne kann Ed töten«, flüsterte sie, gegen ein plötzliches Beben ihres ganzen Körpers ankämpfend. Sie durfte jetzt nicht hysterisch werden. »Und – Alnwick?«
»Wir wurden nach Cumbria zurückgedrängt. Das Glück hat sich gewendet. Wir sind fast wieder da, wo wir angefangen haben«, sagte der Junge grimmig. »Die Schlacht geht noch immer um Carlisle. Aber ohne Malcolm, ohne Edward ...«
Mary schloss die Augen. »Edmund ist ein großer Krieger. Und die anderen Heerführer ...«
»Die Clanoberhäupter bekämpfen sich alle gegenseitig, Prinzessin; nur Malcolm war stark genug, sie zusammenzuhalten.« Er zögerte. »Nicht alle von ihnen vertrauen Edmund.«
Darauf wusste Mary keine Antwort. Der Charakter ihres Bruders war nicht der beste. Aber wenn Edward verwundet und Malcolm tot war ... Sie schob diesen Gedanken sofort beiseite. Sie wollte nicht über ihren Vater nachdenken, sie wollte es nicht. Lieber betete sie für Ed.
Und sie durfte jetzt auch nicht an Stephen denken. Nicht wenn seine Männer ihren Vater getötet und ihren Bruder verwundet hatten.
Sie durfte es nicht.
»Mutter, bitte, trink etwas davon. Das ist dein eigenes, besonderes Rezept«, bat Mary.
Margaret antwortete nicht, es war, als würde sie Mary gar nicht hören. Nach Pater Josephs Aufbruch vor vielen Stunden war sie in einen betäubungsähnlichen Zustand gefallen, aus dem man sie jedoch nicht wecken konnte; es war also kein gewöhnlicher Schlaf. Hätte Mary nicht bemerkt, dass ihre Mutter noch atmete, wenn auch sehr schwach, sie hätte geglaubt, sie sei tot.
Mary war außer sich. Sie hatte seit Tagen nicht geschlafen, und sie wagte nicht, ihre Mutter zu verlassen, nicht wenn es aussah, als würde Margaret vor ihren Augen sterben. Mary war entschlossen, sie nicht sterben zu lassen. Sie konnte es nicht zulassen, aber was konnte sie tun?
Sie nahm die eisigen Hände ihrer Mutter und rieb sie zwischen den ihren.
Ein scharfes Klopfen an der Tür lenkte sie ab; es war wie eine kleine Erleichterung. Als Edgar den Raum betrat, erstarrte sie. Sie hatte ihn vor drei Nächten zum letzten Mal gesehen, direkt vor der ersten Schlacht um Carlisle.
Er war nicht wiederzuerkennen. Edgar war bleich und erschöpft, mit dunklen
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