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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Lallybroch, zurückzukehren. Ich sehnte mich nicht nach Paris zurück, und einige Leute dort wollte ich ganz bestimmt nicht wiedersehen - Louis von Frankreich zum Beispiel.
    Oder Charles Stuart. Vorsichtige Sondierungen unter den jakobiten in Paris hatten Jamies anfänglichen Eindruck bestätigt. Der verhaltene Optimismus nach Charles’ großspurig verkündeter »großen Unternehmung« war verschwunden. Und während die Anhänger von König James ihrem Souverän auch weiterhin die Treue hielten, schien die Chance, daß unerschütterliche Loyalität zu Taten führen würde, außerordentlich gering.
    Dann soll sich Charles eben mit dem Exil abfinden, dachte ich. Unser Exil war jedenfalls zu Ende. Wir befanden uns auf dem Weg nach Hause.

    »Das Gepäck ist an Bord«, hörte ich eine mürrische schottische Stimme neben mir. »Der Kapitän bittet, nun an Bord zu gehen; wir laufen bei Flut aus.«
    Jared wandte sich an Murtagh. »Wo ist der Bursche?« fragte er.
    Murtagh wies mit dem Kopf über die Pier hinweg. »In der Taverne da drüben. Er läßt sich vollaufen.«
    Ich hatte mich schon gefragt, wie Jamie die Überquerung des Kanals zu überstehen gedachte. Nach einem Blick auf den finsteren roten Morgenhimmel, der Sturm ankündigte, hatte er sich bei Jared entschuldigt und war verschwunden. Als ich in die von Murtagh angegebene Richtung sah, entdeckte ich Fergus, der neben dem Eingang zu einer Schnapsbude saß und offensichtlich Wache schob.
    Erst ungläubig, dann belustigt vernahm Jared den Grund für das Verhalten seines Cousins.
    »Ach, tatsächlich?« sagte er mit einem breiten Grinsen. »Na, dann hoffe ich, daß mein Cousin das letzte Glas aufspart, wenn wir ihn holen kommen. Sonst haben wir unsere liebe Mühe, den schweren Brocken über die Landungsbrücke zu tragen.«
    »Warum hat er das gemacht?« fragte ich Murtagh ärgerlich. »Ich habe ihm doch gesagt, daß ich Laudanum für ihn habe.« Dabei klopfte ich mit der Hand auf den Seidenbeutel, den ich bei mir trug. »Das hätte ihn viel schneller betäubt.«
    Murtagh zwinkerte nur. »Aye. Er meinte, wenn er schon Kopfweh bekommen muß, würde er gern auch einen Genuß dabei haben. Und Whisky schmeckt nun mal weitaus besser als dein ekliges schwarzes Zeug.«
    In der vorderen Kabine der Portia saß ich dann auf der Schlafkoje des Kapitäns und sah dem Auf und Ab der sich immer weiter entfernenden Küstenlinie zu, während der Kopf meines Gatten auf meinen Knien ruhte.
    Schließlich öffnete er ein Auge und sah zu mir auf. Ich strich ihm das feuchte Haar aus der Stirn. Er war in eine Duftwolke aus Ale und Whisky gehüllt.
    »Du wirst dich höllisch elend fühlen, wenn du in Schottland aufwachst«, sagte ich zu ihm.
    Er blinzelte und betrachtete die Lichtwellen, die über die holzgetäfelte Decke tanzten. Dann richtete er den Blick auf mich.
    »Wenn ich mir aussuchen kann, ob ich die Hölle gleich oder erst später haben möchte, Sassenach«, sagte er mit gemessener und
klarer Stimme, »werde ich immer die spätere Hölle wählen.« Er schloß die Augen. Dann rülpste er leise, entspannte sich und ließ sich von den Wellen in den Schlaf wiegen.
     
    Die Pferde waren scheinbar ebenso ungeduldig wie wir; sie spürten die Nähe der Stallungen und schlugen eine schnellere Gangart ein.
    Ich dachte eben, daß ich mich gerne waschen und etwas essen würde, als mein Pferd plötzlich die Füße fest in den Boden stemmte. Heftig warf die Stute den Kopf hin und her und schnaubte und ächzte.
    »He, Mädel, was ist los? Hast du eine Biene in die Nüstern gekriegt?« Jamie schwang sich vom Sattel eines Pferdes und packte die graue Stute am Zügel. Da ich spürte, wie der breite Rücken meines Tieres zitterte und bebte, stieg ich ebenfalls ab.
    »Was hat sie bloß?« Neugierig betrachtete ich das Tier, das sich gegen Jamies festen Griff wehrte. Es schüttelte die Mähne und rollte die Augen. Nun begannen auch die anderen Pferde nervös zu stampfen.
    Jamie blickte über die Schulter hinweg auf die leere Straße.
    »Sie sieht etwas.«
    Fergus stellte sich in seinem verkürzten Steigbügel auf, beschattete die Augen mit der Hand und spähte angestrengt über den Rücken des Tieres hinweg. Dann ließ er die Hand sinken und blickte mich achselzuckend an.
    Ich zuckte ebenfalls die Achseln; es war nichts zu sehen, was die Unruhe der Stute hätte erklären können - der Weg und die Felder lagen verlassen vor uns, die Ähren reiften und trockneten in der spätsommerlichen Sonne. Das

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