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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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aus, die wir aus Frankreich mitgebracht hatten. Ich bewunderte die kleine Maggie, ein munteres Fräulein von zehn Monaten mit runden blauen Augen und einem erdbeerroten Haarflaum, und ihren großen Bruder Jamie, einen stämmigen Vierjährigen. Der jüngste Nachwuchs war bislang nur eine schwache Wölbung unter der Schürze seiner Mutter. Jenny legte ab und zu zärtlich ihre Hand darauf, was mir einen kleinen Stich versetzte.
    »Du hast Fergus erwähnt«, sagte Jenny, »wer ist das?«

    »Ach, Fergus? Der ist - na ja - er ist...« Ich zögerte, denn ich wußte nicht, wie ich Fergus beschreiben sollte. Die Aussichten eines Taschendiebs, auf dem Gut angestellt zu werden, schienen mir sehr begrenzt. »Er ist so etwas wie Jamies Schatten«, sagte ich schließlich.
    »Ach ja? Ich denke, er kann im Stall schlafen«, meinte Jenny. »Apropos Jamie...« Sie sah durch das Fenster in den strömenden Regen hinaus. »Hoffentlich finden sie die Schafe bald. Ich habe etwas Gutes zu essen gemacht und möchte nicht, daß es zu lange auf dem Herd steht.«
    In der Tat, es war inzwischen dunkel geworden, und Mary MacNab deckte bereits den Tisch. Ich sah ihr bei der Arbeit zu; sie war eine kleine, zartgliedrige Person mit dunkelbraunem Haar und einem etwas besorgten Gesichtsausdruck, der sich jedoch in ein Lächeln verwandelte, als Rabbie aus dem Stall in die Küche kam und nachfragte, wann es endlich etwas zu essen gebe.
    »Sobald die Männer zurück sind, mo luaidh« , antwortete sie. »Das weißt du doch. Geh und wasch dich schon mal.«
    Als die Männer endlich kamen, sahen sie aus, als ob sie die Wäsche weitaus nötiger hätten als Rabbie. Durchnäßt, schmutzig und bis zu den Knien lehmverschmiert, kamen sie erschöpft in den Salon. Ian nahm sich das nasse Plaid von den Schultern und hängte es über den Ofenschirm, wo es tropfte und dampfte. Fergus, der nach seiner abrupten Einführung in das Landleben völlig erschöpft war, setzte sich hin, wo er gerade stand, und starrte wie betäubt auf den Boden.
    Jenny blickte ihren Bruder an, den sie seit beinahe einem Jahr nicht mehr gesehen hatte. Während sie ihn von Kopf bis Fuß musterte - sein Haar triefte vor Nässe, und an seinen Stiefeln klebten Lehmklumpen -, deutete sie auf die Tür.
    »Erst raus und die Stiefel ausgezogen!« befahl sie streng. »Und wenn ihr im offenen Feld gewesen seid, denkt dran, an die Türpfosten zu pinkeln, bevor ihr wieder reinkommt. Dadurch hält man sich nämlich die Geister vom Leib«, erklärte sie mir mit gesenkter Stimme, während sie flüchtig zu der Tür blickte, durch die Mary MacNab verschwunden war, um das Essen zu holen.
    Jamie, der sich in einen Sessel gelümmelt hatte, öffnete ein Auge und funkelte seine Schwester an.
    »Ich komme mit dem Schiff in Schottland an, halbtot von der
Uberfahrt, reite vier Tage über die Berge, um hierherzukommen, und als ich endlich da bin, darf ich nicht einmal eintreten, um meine ausgetrocknete Kehle zu befeuchten. Statt dessen stolpere ich durch den Schlamm, um verirrte Schafe zu suchen. Und wenn ich dann endlich hier bin, willst du mich wieder in die Nacht hinausschicken, damit ich an den Türpfosten pinkle. Pah!« Er machte das Auge wieder zu, faltete die Hände über dem Bauch und sank noch tiefer in den Sessel.
    »Jamie, mein Lieber«, sagte seine Schwester mit zuckersüßer Stimme. »Willst du dein Essen, oder soll ich’s den Hunden geben?«
    Er blieb noch einen langen Moment reglos und mit geschlossenen Augen sitzen. Dann raffte er sich mit einem resignierten Seufzer auf, zuckte verdrießlich mit den Schultern und bedeutete Ian, ihm nach draußen zu folgen, wo Murtagh sich bereits erleichterte. Als Jamie an Fergus vorbeikam, packte er ihn, zog ihn hoch und schleifte den schläfrigen Jungen mit.
    »Willkommen zu Hause«, meinte Jamie mürrisch, und mit einem letzten wehmütigen Blick auf das Feuer und den Whisky trottete er abermals in die Dunkelheit hinaus.

31
    Alltag in Lallybroch
    Nach dieser etwas mißglückten Heimkehr wendeten sich die Dinge sehr rasch zum Besseren. Jamie wurde von Lallybroch sogleich voll in Anspruch genommen, ganz so, als ob er nie weggewesen wäre, und auch ich wurde in den Alltag des Landlebens einbezogen. Es war ein stürmischer Herbst mit viel Regen, doch gab es auch heitere, schöne Tage. Überall herrschte lebhaftes Treiben, die Ernte mußte eingebracht und die für den herannahenden Winter notwendigen Vorbereitungen getroffen werden.
    Lallybroch war abgelegen, selbst im

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