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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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blickte hoch. Die feinen Bartstoppeln wirkten wie ein Schatten auf seinem Gesicht.
    »Du hast doch nicht etwa Angst, daß ich zurückgehe? Du glaubst doch nicht, nur weil ich... an Frank denke...«
    »Nein«, kam seine Antwort leise, aber ohne Zögern. Ebenso rasch schlang er seine Arme besitzergreifend um mich.
    »Nein«, flüsterte er wieder und strich über mein Haar, »wir gehören zusammen, du und ich, und nichts auf dieser Welt soll mich von dir trennen. Erinnerst du dich an unseren Blutschwur, als wir geheiratet haben?«
    »Ja, ich glaube schon: ›Du bist Blut von meinem Blute und Fleisch von meinem Fleische...‹«
    »Ich schenke dir meinen Leib, auf daß wir eins sein mögen«, sprach er das Gelübde weiter. »Aye, und ich habe Wort gehalten,
Sassenach, und du auch.« Er drehte mich etwas zur Seite und legte seine Hand über die leichte Rundung meines Bauches.
    »Blut von meinem Blute«, flüsterte er, »und Fleisch von meinem Fleisch. Du trägst mich in dir, Claire, und du kannst mich nicht mehr verlassen, was auch immer geschieht. Du bist mein, für immer, ob du es willst oder nicht, ob du mich liebst oder nicht. Du gehörst mir, und ich werde dich nicht hergeben.«
    Ich nahm seine Hand und drückte sie an mich.
    »Nein«, sagte ich leise. »Und du kannst mich auch nicht verlassen.«
    »Nein«, erwiderte er mit einem halben Lächeln. »Denn ich habe auch den Rest des Gelübdes gehalten.« Er umfaßte mich mit beiden Händen und legte den Kopf an meine Schulter, so daß ich die Wärme an meinem Ohr spürte, als er in die Dunkelheit flüsterte:
    »Ich schenke dir meine Seele, bis wir unser Leben aushauchen.«

11
    Sinnvolle Beschäftigungen
    »Wer ist dieses merkwürdige Männchen?« fragte ich Jamie neugierig. Besagter Mann schlenderte langsam zwischen den Grüppchen von Gästen umher, die sich im Hauptsalon des Hauses der de Rohans versammelt hatten. Gelegentlich hielt er inne, musterte kritischen Auges die eine oder andere Gruppe und ging dann achselzuckend weiter. Oder er trat unvermittelt an die eine oder andere Person heran, hielt ihr irgend etwas vor die Nase und erteilte eine Art Befehl. Was auch immer er da tat, es schien erhebliche Belustigung hervorzurufen.
    Ehe Jamie antworten konnte, hatte der kleinwüchsige Mann mit dem Hutzelgesicht, der in grauen Serge gehüllt war, uns entdeckt, und seine Miene hellte sich auf. Er stürzte sich auf Jamie wie ein winziger Raubvogel auf einen großen, verdutzten Hasen.
    »Singen Sie«, befahl er.
    »Hä?« Jamie blinzelte erstaunt zu der kleinen Gestalt hinunter.
    »Ich sagte: ›Singen Sie‹«, erwiderte der Mann geduldig und tippte bewundernd an Jamies Brust. »Mit einem solchen Resonanzkörper müssen Sie ein prächtiges Stimmvolumen haben.«
    »Allerdings«, sagte ich amüsiert. »Wenn er sich erregt, hört man es noch drei Straßen weiter.«
    Jamie warf mir einen vernichtenden Blick zu. Unterdessen ging das Hutzelmännchen um ihn herum, maß die Breite seines Rückens und pochte dagegen wie ein Specht, der einen vielversprechenden Baum gefunden hat.
    »Ich kann nicht singen«, protestierte er.
    »Unsinn, natürlich können Sie. Was für ein schöner Bariton«, murmelte der Mann entzückt. »Ausgezeichnet. Genau, was wir brauchen. Hier, eine kleine Hilfestellung. Versuchen Sie den Ton zu treffen.«

    Flink zog er eine kleine Stimmgabel aus der Tasche, schlug sie gekonnt an einer Säule an und hielt sie an Jamies Ohr.
    Jamie rollte mit den Augen, fügte sich dann aber in sein Schicksal und sang einen Ton. Der kleine Mann zuckte zusammen, als hätte man ihn angeschossen.
    »Nein«, stöhnte er ungläubig.
    »Doch, ich fürchte schon«, bekundete ich meine Anteilnahme. »Wissen Sie, er hat recht. Er kann wirklich nicht singen.«
    Der Mann warf Jamie einen vorwurfsvollen Blick zu, dann schlug er die Stimmgabel erneut an und hielt sie ihm einladend hin.
    »Noch einmal«, redete er ihm zu. »Hören Sie einfach auf den Ton und singen Sie ihn nach.«
    Der geduldige Jamie lauschte aufmerksam auf das A der Gabel, dann brachte er einen Ton hervor, der ungefähr einem Dis entsprach.
    »Nicht zu fassen«, meinte das Männchen zutiefst enttäuscht. »So dissonant kann man doch gar nicht sein, nicht einmal mit Absicht.«
    »Ich schon«, erwiderte Jamie unbekümmert und verbeugte sich höflich. Mittlerweile hatte sich eine kleine neugierige Menge um uns versammelt. Louise de Rohan war eine großartige Gastgeberin, und in ihren Salons verkehrte die Elite der Pariser

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